#grumo_07: Wenn Interessen sich widersprechen

Dieses Mal lassen wir es krachen! Genau, es geht um Konflikte in der Gruppe. Was mache ich, wenn alle streiten? Was ist ein Konflikt eigentlich und wie gehe ich als Gruppenleiter*in oder -begleiter*in damit um? Ist ein Konflikt immer laut? Und was mache ich, wenn sich keine Lösung einstellen will?

Ein Konflikt ist ein Unterschied von Interessen, die im Widerspruch zueinander stehen. Beispielsweise möchte ich ein Eis essen, aber auf Süßes verzichten. Das kann zu einem inneren Konflikt führen. Oder jemand möchte am Land wohnen, der Großteil der Familienmitglieder wollen aber in der Stadt leben.

Versuchen wir es eine Nummer kleiner: Ich habe eine Seminargruppe und möchte eine Zeit für die Mittagspause vereinbaren. Ich gebe den Rahmen vor: Mindestens eine Stunde, maximal eineinhalb Stunden. Das Ende des Seminartages richtet sich nach der Dauer der Mittagspause. It’s a classic! Ein Drittel der Teilnehmer*innen ist für das eine, ein Drittel für das andere und dem Rest ist es egal oder nein – für den Rest ist beides in Ordnung. Aber wo sind die anderen? Keine Sorge, unsere fünf Expert*innen für alles, was mit Gruppe zu tun hat, treten gleich auf den Plan. Auch sie haben natürlich mannigfaltige Erfahrungen mit Konflikten in Gruppen, und auch in Konstellation, wo sie selbst Konfliktpartei waren.

Meeting im Gastgarten

„Ich liebe Konflikte!“, seufzt Yasemine, als Reaktion auf Rudis taufrische Anekdote aus der Straßenbahn. „Außer natürlich ich bin eine Beteiligte. Das finde ich weniger ‚interessant‘.“ Sie und Rudi sind schon da und ein bisschen nervös. Schließlich ist es das erste Mal seit Wochen, dass sie in einem Lokal sind – die gelockerten Bestimmungen und Marias Abwesenheit, sonst wären sie nämlich zu viele, machen es möglich. Im Gastgarten ist wenig los, riesige, nicht aufgespannte Sonnenschirme stehen als Abstandhalter zwischen Tischen und Gästen.

In den nächsten Minuten kommen auch Beate und Paul. Letzterer beendet gerade noch einen Anruf. Die anderen drei verstehen zwar nicht, worum es in dem Gespräch ging, aber dass es unangenehm und emotional war, bekommen sie trotz ihrer fehlenden Polnisch-Kenntnisse mit. „Das darf doch nicht wahr sein! Meine Mutter besteht auf meinem Besuch und ignoriert einfach die aktuellen Grenzbestimmungen. Sie tut so, als ob ich nicht will, und will nicht begreifen, dass es gerade nicht möglich ist!“, erzählt Paul noch aufgewühlt vom Telefonat. Die drei Kolleg*innen erkennen die Situation sofort und beschließen intuitiv, dem Problem Raum zu geben, weil ein Austausch zu einem anderen Thema ohnehin nicht möglich scheint, so lange Paul so aufgewühlt ist.

Fragestellungen und Perspektiven

Ganz nach dem Motto Störungen haben Vorrang’, begleiten die drei Paul durch die Situation. Es werden Fragen gestellt und unterschiedliche Perspektiven eingenommen. Nach rund einer halben Stunde ist Paul einen Schritt weiter. Er beschließt mit seiner Mutter über Videotelefonie – mit technischer Unterstützung durch Pauls Cousine – die Situation genauer zu besprechen und gemeinsam zu schauen, wie sie ihre Bedürfnisse unter einen Hut bringen können. Paul dürfte nämlich aktuell als Angehöriger zwar einreisen, befürchtet aber, nach einer Rückkehr nach Österreich in Quarantäne gehen zu müssen, was er sich momentan nicht vorstellen kann. Die kollegiale Beratung hat in jedem Fall gut getan und Paul dabei unterstützt, die Situation zu differenzieren und herauszufinden, worum es eigentlich gehen könnte. Außerdem ist Paul eingefallen, dass es gut wäre, sich wieder mal ein bisschen Theorie zum Thema anzuschauen, wie beispielsweise Friedrich Glasl und seine Eskalationsstufen in Konflikten, die bei der Orientierung in entsprechenden Situationen helfen und außerdem noch Vorschläge für den Umgang damit geben.

Ein Problem ist eine Beschreibung

„Eigentlich sind wir eh schon mitten im Thema“, meint Beate und erinnert daran, dass die Gruppe dieses Mal über den Umgang mit Konflikten sprechen wollte. Die anderen finden das auch und sind wieder einmal berührt von der Erkenntnis, welch gute Ressource sie und ihre Treffen für einander sind. „Ich finde, bei der Situation von dir, Paul, wurde auch gut sichtbar, was ein Problem eigentlich ist, nämlich die Beschreibung einer Situation.

Für viele Situationen gibt es ebenso viele Beschreibungen wie Personen, die involviert sind, und daraus können sich dann auch Konflikte ergeben“, räumt Rudi ein. Auf Pauls Frage, wie er das denn meine, führt Rudi weiter aus: “Ich habe es so verstanden, dass deine Mutter gekränkt oder grantig ist, weil du sie nicht besuchen möchtest, obwohl die aktuellen Bestimmungen es zulassen würden und du gerade mehr Freizeit hast, als üblicherweise.“ „Ja, und zwar mehr als mir lieb ist“, fügt Paul schnell ein, bevor Rudi weiter ausführt: „Von dir habe ich verstanden, dass du deine Mutter zwar gerne wiedersehen möchtest, du das Risiko einer Quarantäne nach deiner Rückkunft aber als zu groß einschätzt, und es für dich wichtig ist, flexibel auf Veränderungen reagieren zu können, um beispielsweise wieder als Lehrgangscoach zur Verfügung zu stehen, sobald die Bestimmungen es erlauben. Hier ist gut zu sehen, dass ihr das Problem ganz unterschiedlich beschreibt und es hilfreich sein könnte, eure Perspektiven einander näher zu bringen.“ Paul versteht nun: „Das stimmt total, weil es ist eine ganz andere Ausgangsbasis als der Vorwurf, ich würde nicht wollen.“

Ansprechen und Raum geben

Yasemine findet, dass so eine Vorgehensweise in Konfliktsituationen ganz oft hilfreich ist. Im Idealfall gibt es auch noch Personen, die nicht involviert sind und die die Konfliktparteien dabei unterstützen können, andere Perspektiven einzubringen oder sich zumindest die unterschiedlichen Problembeschreibungen anhören. „Wichtig ist natürlich, das Problem vorab zu formulieren, weil ganz oft glauben wir, es ist eh klar, was grad nicht passt, weil schlechte Stimmung oder Unwohlsein zu bemerken sind. Das habe ich auch schon mit Gruppen öfters erlebt“, erzählt Yasemine. „Und, wie tust du dann?“ fragt Beate, die solche Situationen zwar auch kennt, es aber mehr als Störung, denn als Herausforderung empfindet.

„Wenn ich den Eindruck hab, es gibt dicke Luft, aber nicht genau weiß, worum es geht, dann mache ich das auch mal öffentlich und frage in die Gruppe oder spreche die Stimmung und meine Irritation an. Häufig eröffnet sich dann ein Raum der Auseinandersetzung, wo Konflikte auch aufgelöst werden können oder ein Umgang damit gefunden wird.“ Beate ist skeptisch und meint: “Ja und dann gibt es die Teilnehmer*innen, denen das voll taugt und die gerne auch emotionale oder heftigere Diskussionen führen, und die, denen das egal ist oder die sich raushalten möchten, und die fühlen sich um wertvolle Zeit bestohlen. Ich kenne das auch von mir selbst als Teilnehmerin.“

Konfliktbearbeitung braucht Struktur

Man muss sich halt was ausmachen“, wirft Rudi ein und meint, dass es in so einer Situation wichtig ist, die weitere Vorgehensweise zu vereinbaren, bevor es in der Konfliktbearbeitung weitergeht. „Ich schlage dann zum Beispiel vor, dass wir dem Thema jetzt, bis zur Pause, Zeit geben und dann nochmal schauen, wie es allen damit geht, und ob es wieder Arbeitsfähigkeit gibt oder ob es noch was braucht. Ich hab auch schon mal die Gruppe geteilt und bin mit denen, die involviert oder betroffen waren, noch in der Konfliktbearbeitung geblieben und die anderen haben sich mit einem anderen Thema beschäftigt. Das hat gut geklappt! Wichtig ist es, die Teilgruppen dann wieder zusammenzuführen, eventuell gegenseitige Berichte, und auch nochmal ein Stimmungsbild einzuholen“, führt Rudi weiter aus. „Ich persönlich finde auch, dass jede Bearbeitung, oder auch nur Ansprechen, besser ist, als den offenen oder latenten Konflikt zu ignorieren.

Ich weiß aber auch, dass so eine Haltung nicht für alle stimmig ist. Für Gruppenleiter*innen ist es sinnvoll, so zu agieren, wie es für sie in ihrer professionellen Haltung passend ist“, ergänzt Yasemine. Mit einem Seufzer der Erleichterung bringt sich Beate wieder in die Diskussion ein: „Da bin ich jetzt echt froh, dass du das gesagt hast, Yasemine, weil ich kann ja nicht so gut mit Konflikten in der Gruppe und finde das einfach nur lästig. Gleichzeitig hab ich aber beim Zuhören auch gemerkt, dass eure Herangehensweisen mir das Thema Konflikte irgendwie differenzierter erscheinen lässt. Ich denke, das ermöglicht mir nochmal eine andere Auseinandersetzung, wo es vielleicht nicht schlecht wäre, mal genauer hinzuschauen. „Problembeschreibung“ und „unterschiedliche Interessen“ klingt irgendwie weniger schlimm und anstrengend als „Konflikt“. Danke dafür!“

Und jetzt?

Aber jetzt nochmal zurück an den Anfang: Was mache ich nun mit der Gruppe, die entscheiden soll, wie lange ihre Mittagspause dauert? Oft braucht es nur ein bisschen Zeit, in der die Gruppe die Möglichkeit hat, selbst eine Lösung zu finden. Dafür ist es nötig, die unterschiedlichen Positionen von einander zu wissen. Als Moderator*in oder Trainer*in habe ich nur die Aufgabe, das zu ermöglichen.

Im Idealfall hat die Gruppe ein Erfolgserlebnis, weil es gelingt, trotz unterschiedlicher Wünsche, zu einer gemeinsamen Entscheidung zu kommen. Beobachte ich, dass mehr Unterstützung hilfreich wäre, kann ich nach Werkzeugen fragen, die die Teilnehmer*innen in ähnlichen Fällen bereits genutzt haben oder entsprechende Methoden vorschlagen. Die einfachste und schnellste Methode, ist wohl das Abstimmen. Dabei gilt es zu beachten, das eine Abstimmung individuellen Bedürfnissen oder Argumenten kaum Raum gibt und es vorab zu klären gilt, bei welcher Mehrheit ein Entscheid gültig ist. Wenn Bedürfnisse und Argumente Raum haben sollen und dennoch eine Abstimmung gewünscht ist, kann beispielsweise davor Zeit für Diskussion oder für eine Runde, wo jede/r Einzelne die Möglichkeit hat, etwas dazu zu sagen, gegeben werden. Eine interessante Methode ist ‚Systemisch konsensieren‘, wo nicht die Wünsche, sondern der Widerstand gegen die zur Auswahl stehenden Szenarien, abgefragt wird. Ebenfalls bewährt hat sich das Konzept der gewaltfreien Kommunikation, das für eine Bestandsaufnahme von Konflikten, Bedürfnisse und Wünschen äußerst hilfreich ist, wenn – und das gilt für alle Methoden und Werkzeuge – es zur eigenen professionellen Identität passt.
Bei ihrem nächsten Treffen beschäftigen sich Maria, Paul, Yasemin, Rudi und Beate mit Vielfalt in Gruppen und freuen sich auf euer Interesse!

Autorinnen: Gerda Kolb und Irene Zavarsky

Dieses Werk ist lizenziert unter einer Creative Commons Namensnennung – Nicht-kommerziell – Weitergabe unter gleichen Bedingungen 4.0 International Lizenz.

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#grumo_06: Was, wenn ich mich vor der Gruppe fürchte?

Meine Rolle als Trainer*in, Teil 2

Manchmal können Gruppen auch den Trainer*innen selbst zu viel werden. Ob man das zeigen darf oder nicht, das diskutiert unsere Fallgruppe heute im Park. Dabei geht es hoch her, offenbar befinden sie sich selbst gerade wieder in der Storming Phase.

„Das finde ich nicht!“ Yasemine scheint echt aufgebracht zu sein. „Man kann sehr wohl auch mal eine Unsicherheit zugeben.“ Auch Rudi ist außergewöhnlich aufgeregt für seine Verhältnisse. „Aber ich kann mich nicht hinstellen und sagen `oh, tut mir leid, aber ihr schüchtert mich echt ein`“ schüttelt er verärgert den Kopf. „Das wär das Gegenteil von professionell!“

Als Beate, Paul und Maria eintreffen, löst sich die Spannung ein bisschen. Die drei haben sich zufällig bei der U-Bahn getroffen und sind gemeinsam zum Treffen im Park gekommen. Beate merkt, dass was nicht stimmt und spricht Yasemine und Rudi gleich drauf an. „Ich hab Rudi seine Impulsfrage für den heutigen Input kaputt gemacht, glaub ich.“ Yasemine schaut etwas betreten. „Tut mir echt leid, dass ich vorher so heftig war, aber bei so Professionalitätsfragen, da geh ich ganz schnell an die Decke.“ Rudi zuckt mit den Schultern. „Vielleicht haben wir da auch einfach einen anderen Standpunkt.“ Beate, Paul und Maria schauen gespannt zwischen den beiden hin und her. „Jetzt sind wir neugierig“, meint Paul und rückt sich auf seiner Picknickdecke zurecht.

Themenzentrierte Interaktion

Was ist professionell?

Rudi räuspert sich und beginnt: „Beim heutigen Treffen soll es um die Frage gehen, was ist, wenn mich als Trainer oder Trainerin die Gruppe nervös macht. Darf ich zeigen, dass ich Angst vor der Gruppe habe, oder muss ich kompetent drüber stehen, auch wenn ich mich nicht so fühle?“ Rudi pausiert kurz und führt dann weiter aus: „Yasemine hat vorher gemeint, dass man als Trainer*in jedenfalls auch mit seiner/ihrer Unsicherheit zur Verfügung stehen muss und dass es der Gruppe enorm viel bringt, wenn man diese auch formuliert. Für mich ist das das totale No-Go. Ich finde meine persönlichen Unsicherheiten haben in einem Seminar keinen Platz!“

Yasemine hakt hier sofort ein, „Aber das geht doch voll an der Idee der Themenzentrierten Interaktion vorbei. Ich bin auch Teil des Systems und wenn mich etwas irritiert, muss ich damit umgehen.“ Yasemine erläutert noch mal die Idee der Themenzentrierten Interaktion von Ruth Cohn, die das Thema, die Gruppe und das Individuum gleichermaßen beleuchtet. Der Leiter/die Leiterin ist nach dieser Idee zwar Teil der Gruppe und stellt ihre Gedanken und Gefühle zur Verfügung, verliert aber dabei nicht die steuernde Rolle. Sie versteht sich eher als Katalysator, als Element, das sich oft leichter tut als andere Gruppenmitglieder, Beobachtungen oder Empfindungen zu formulieren.

Gruppensitzung für die Leitung

„Wenn du das so erklärst, versteh ich deinen Ansatz natürlich“, meint Rudi nickend. Er hatte Situationen im Kopf, in denen die Seminarleitung von der Gruppe verunsichert war und das dann lang und breit besprochen hat, ohne dass ein Mehrwert für die Gruppe ersichtlich war. „Das ist zu einer Gruppentherapie für den Trainer ausgeartet“, schüttelt Rudi verärgert den Kopf „und ich war damals leider noch nicht so mutig, einfach zu gehen“. Auch Paul kann da ein paar Beispiele bringen: Er erzählt von Trainer*innen, die bei jedem neuen Input die Gruppe fragen, ob das jetzt passt für sie und bei jedem Räuspern und Naserümpfen gleich ihr Konzept umwerfen. Jede*r scheint Beispiele von Trainer*innen zu kennen, die in ihrer Unsicherheit nicht so professionell rübergekommen sind. Gleichzeitig kommen aber auch Beispiele zur Sprache, wo eine Gruppe sehr davon profitiert hat, dass die Leiter*in die Irritation angesprochen hat.

Ein Genderthema?

Professionalität und soziale Kompetenz sind
kein Widerspruch.

Maria hat noch nicht viel gesagt heute. Jetzt räuspert sie sich und meint: „Kann es sein, dass das auch ein Gender-Thema ist? Ich glaub, Frauen wird öfter unterstellt, ihre Unsicherheit nach außen zu tragen und Männern eher, dass sie versuchen, sie zu verstecken. Mit der Frage nach Professionalität versus sozialer Kompetenz oder Gruppenkompetenz werden Trainerinnen sicher öfter konfrontiert als Trainer.“

Alle in der Gruppe nicken. Die Männer berichten von Erfahrungen, wo sie erstaunte Blicke geerntet haben, als sie eine Beobachtung zum Gruppenklima geäußert haben und die Frauen teilen Erlebnisse, wo es Überraschung gab, weil sie auf Befindlichkeiten nicht eingegangen sind, sondern im Thema weiter gemacht haben. Yasemine nickt: „Ich glaub, deswegen bin ich auch so aufgegangen, als du gemeint hast, Unsicherheit zu äußern wäre das Gegenteil von professionell“ – sie schaut Rudi an. „Mir ist das einfach schon so oft passiert, dass ich mich in diese Richtung verteidigen musste. Da bin ich schnell auf 180.“ Rudi nickt: „Das tut mir leid. Das war wohl tatsächlich ein ziemlich dummes Totschlagargument von mir.“

Leiten gegen Widerstand

Beate holt Luft: „Also, das wird euch jetzt vielleicht überraschen, weil ich ja eher aus der Fachecke komme und mit der Gruppendynamik nicht so viel am Hut habe. Ich hab mir geschworen, dass ich nie wieder ein Seminar durchziehe, wenn ich merke, dass in der Gruppe was nicht passt. Ich hab das einmal gemacht und es waren die anstrengendsten und längsten drei Tage meines Lebens. Ich hab quasi jede halbe Stunde auf die Uhr geschaut und die Pause wollte und wollte nicht kommen“ – sie schüttelt den Kopf – „nie wieder tu‘ ich mir das an. Wenn ich nicht zur Gruppe und zu deren Erwartungen passe, dann breche ich den Auftrag lieber ab, als nochmal die Gruppe wie einen toten Gaul mitzuschleppen. Ich bin danach zwei Tage flach gelegen, so erschöpft war ich“ erzählt Beate und lacht dabei. Sie erntet tatsächlich von den anderen verwunderte Blicke, aber im Grunde geben ihr alle Recht: besser ein schnelles Ende, als ein Seminar gegen Widerstand leiten. Das kostet alle Beteiligten nur Energie und hat selten viel Mehrwert.

Langsam wird es kühl im Park und die Fünf beschließen, es für heute gut sein zu lassen. Nachdem das Thema Konflikte grade so gut passen würde, überlegen sie sich, die nächste Zusammenkunft diesem Thema zu widmen. Einig sind sie sich, dass sie sich viel lieber live sehen als über Video und das frische Luft schnappen im Park hat auch allen gut getan.

Autorinnen: Gerda Kolb und Irene Zavarsky

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#grumo_05: Stürmend zur guten Performanz

Unterschiedliche Gruppenphasen

Eine Gruppe formt sich

In unserem heutigen Beitrag erörtern wir das Thema Gruppenphasen und schauen uns an, woran sich diese in der Praxis erkennen lassen.

Glücklicherweise hat sich unsere Fallgruppe erst kürzlich mit dem Thema beschäftigt. Wir nützen also wieder die Gelegenheit unseren Protagonist*innen – Maria, Yasemine, Rudi, Beate und Paul – über die Schultern zu schauen und zu hören, was sie zu dem Thema zu sagen haben. Dieses Mal war das gar nicht so einfach, traf sich unsere Fallgruppe doch nicht im Hinterzimmer des Beisls ihrer Wahl, sondern – Bingo – online…

„Hallo, hört ihr mich?“ versteht Beate, als sie versucht Rudis Lippen zu lesen. Anscheinend funktioniert sein Mikrofon nicht oder es ist nicht eingeschalten. Paul hat das ebenfalls schon bemerkt und Rudi via Chat darauf aufmerksam gemacht, dass er zwar gesehen, aber nicht gehört wird. „Schönen guten Abend, Beate! Pünktlich wie immer!“ meint Paul und verstummt gleich wieder. Beate, nach einigen Wochen Erfahrung in Videotelefonie (inklusive technischen Herausforderungen) geübt in „non-verbaler“ Kommunikation, bekommt mit, wie Paul seine Kinder auffordert, ihn in Ruhe zu lassen und sein Arbeitszimmer – formerly known as Durchgangs- oder Wäschezimmer – zu verlassen.

Beate grinst und freut sich, dass nun auch Yasemine und Maria den virtuellen Raum betreten haben. Weitere Begrüßungen folgen, Pauls Mikro ist wieder an und auch Rudi hat es geschafft, die Einstellungen an seinem Laptop zu ändern und sich Gehör zu verschaffen: „Guten Abend, wie geht es euch, könnt ihr mich gut hören?“ Ein mehrstimmiges Ja ertönt und Daumen hoch sind zu sehen. Nur ein paar Minuten brauchen unsere Fünf, um sich ein paar Regeln für ihr Online-Treffen auszumachen und dann starten sie schon los mit einer Befindlichkeitsrunde, wie immer zu Beginn ihrer zweiwöchentlich stattfindenden Treffen.

Die eigenen Erfahrungen als Startpunkt

Durch die anfänglichen Schwierigkeiten bei ihrem ersten virtuellen Treffen erinnert sich Paul an ihr überhaupt erstes Treffen face-to-face: „Wisst ihr noch? An dem Seminarwochenende, wo wir uns kennengelernt haben? Da hat es ja auch ganz schön gekracht!“. „Hä, da war ich dann wohl gerade auf der Toilette oder auf Rauchpause“ entgegnet Maria. Aber Paul ist anderer Meinung: „Nein, nein, ich weiß ganz genau, dass du da auch dabei warst. Yasemine, du hast irgendwas gesagt über die Art und Weise, wie ein anderer Teilnehmer Rückmeldungen gibt. Ganz genau weiß ich es nicht mehr. Jedenfalls war die Stimmung schlagartig anders. Ich hab geglaubt, gleich wird gekämpft!

Maria erinnert sich: „Ach so, das meinst du. Ja, da war ich schon dabei. Aber ich finde das ganz normal und nicht außergewöhnlich. Wir, also die ganze Gruppe, wussten halt damals noch nicht so genau, wie wir miteinander tun sollen. Da gab es noch keine Gruppenkultur oder vereinbarte Regeln.“ Jetzt meldet sich Rudi dazu: „Also ich hab das auch arg empfunden und auch ganz schön mutig von Yasemine, dass sie sagt, dass sie etwas stört.“

Eine Situation, verschiedene Erfahrungen

Weitere Erinnerungen werden ausgetauscht, unterschiedliche Bilder entstehen von ein und derselben Situation. Aber dass Wahrnehmung nicht ein-deutig ist, ist nichts Neues für die fünf Kolleg*innen. Paul gibt zu, dass die Arbeit mit Gruppen ganz schön herausfordernd für ihn ist: „Ihr kennt mich ja schon ein wenig und wisst, dass ich es sehr gerne harmonisch mag. Das ist nicht immer einfach, wenn man viel mit und in Gruppen zusammenarbeitet. Als Lehrgangscoach bin ich auch immer mit dieser Gruppendynamik konfrontiert. Mir hilft es, wenn ich mir immer wieder mal vor Augen führe, dass es in Gruppen bestimmte Dynamiken und Phasen gibt und dass es sie auch braucht, damit sich eine Gruppe weiterentwickeln kann oder damit überhaupt erst einmal Arbeitsfähigkeit entsteht.“

Rudi entgegnet: „Ja, eh, natürlich. Aber ich merke, dass ich diese Tatsache auch immer wieder aus den Augen verliere und mich dann etwas ratlos frage, was den bitte los ist, wenn manche Dinge nicht funktionieren oder ich die Stimmung in der Gruppe nicht einordnen kann. Was haltet ihr davon, wenn wir die Zeit gleich nutzen und uns gemeinsam – wie hast du gesagt, Paul – vor Augen führen, was es mit den Gruppenphasen aus sich hat?“ Das freut Yasmine: „Ja, super Idee! Gruppendynamik ist ja ohnehin eines meiner Lieblingsthemen!“

Gruppenphasen nach Tuckman

storming…

Gemeinsam werden die Gruppenphasen zusammengesucht und, weil anschaulicher, im Chat der Online-Plattform aufgeschrieben. Die Gruppenphasen, die sie finden, sind:
– forming
– storming
– norming
– performing

Dabei beziehen sich unsere Protagonist*innen auf das Modell von Bruce Tuckman, einem US-amerikanischen Psychologen und Organisationsberater, der in den 1960er Jahren seine Beobachtungen als Team- bzw. Gruppenphasen beschrieb. Beate, die sich bisher nicht so viel mit dem Thema beschäftigt hat, hätte gerne ein wenig mehr Infos zu den Gruppenphasen, und so werden Ergänzungen hinzugefügt:

  • forming: Erste(s) Zusammentreffen & Kennenlernen
    Dynamik: Unsicherheit, Unklarheit, Was darf ich tun? Habe ich hier Platz?
  • storming: Rollen und Aufgaben werden abgesteckt
    Dynamik: Reibereien, Aufregung, Enttäuschung, Machtkämpfe, zum Teil starke Emotionen
  • norming: Rollen werden definiert, Regeln werden festgelegt
    Dynamik: Mitglieder werden zu einem Team, Wir-Gefühl
  • performing: Zusammenarbeit, Ziele werden erreicht
    Dynamik: Arbeitsfähigkeit, Erfolg
  • adjourning (später von Tuckmann dem Modell hinzugefügt): Gemeinsames reflektieren und evaluieren, Auseinandergehen
    Dynamik: Zusammenarbeit ist beendet, Team oder Gruppe löst sich auf
performing!
norming…

… nicht zwingend linear

Yasemin fügt hinzu: „Beate, es ist aber wichtig zu wissen, dass diese Phasen nicht zwingend linear ablaufen. Es kann sein, dass eine Gruppe schon gut arbeitsfähig ist, aber dann passiert etwas – eine Veränderung, jemand kommt in die Gruppe dazu oder geht weg oder eine besondere Herausforderung steht an – und die Gruppe beginnt wieder zu „stürmen“. Dann braucht es wieder eine norming-Phase und als Trainer*in wäre es sinnvoll, so eine Phase methodisch zu unterstützen, indem ich beispielsweise wieder Zeit gebe zum Kennenlernen oder eine Teambuilding-Übung mache und eine Reflexion zum Thema Zusammenarbeit anleite.“

Beate meint, dass das zwar logisch klingt, aber „dann muss ich erstmal erkennen, dass die Gruppe grade in so einer Phase ist.“ Paul entgegnet, dass es Erfahrung und Routine braucht und das für ihn auch Weiterbildungen zu Gruppendynamik (z.B.: die ÖAGG oder die ÖGGO) sehr hilfreich waren oder eben das Modell der Gruppenphasen präsent zu haben. Yasemin hat noch einen Tipp: „Am REFAK Blog von VÖGB & AK findet sich eine Gruppenphasentabelle mit Leitungsfunktionen, die find ich auch voll gut!“

Die Fünf entscheiden sich dafür, sich nächstes Mal in einem Park zu treffen. „Face to face ist die Kommunikation doch einfacher“ meint Rudi ein bisschen verschmitzt. Er hatte immer wieder Audioprobleme während des Treffens. Die anderen sind einverstanden und freuen sich drauf, sich wieder live zu begegnen. „Gehen wir doch da weiter, wo wir grade sind“, meint Rudi, „was ist, wenn die Leitung selber grad nicht leiten mag und sich eigentlich vor der Gruppe oder der Dynamik in der Gruppe fürchtet.“ Ein allgemeines Daumen hoch beendet das Onlinetreffen. Für langes Plaudern ist der virtuelle Raum nicht gemütlich genug. Rudi erklärt sich der Einfachheit halber bereit das nächste Treffen vorzubereiten.

Autorinnen: Gerda Kolb und Irene Zavarsky

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#grumo_04: Was heißt es, eine Gruppe zu leiten?

Meine Rolle als Trainer*in

In diesem Teil machen wir uns Gedanken zur Rolle als Trainer oder Trainerin. Beate ist angefragt worden, ein Seminar für Führungskräfte zu leiten, die viel mit Projektgruppen arbeiten. Sie nimmt unsere Fallgruppe her, um den Aufbau ihres Seminars zu testen. Dabei beschäftigt sie sich mit Fragen wie „Was ist zu viel Steuerung? Wo ist die Grenze zum völligen Laissze-faire und wie viel sollen Trainer*innen sich überhaupt einbringen?“
Willkommen beim grumo_#4!

Beate ist merklich nervös, als die Anderen eintrudeln. Zum x-ten Mal sortiert sie ihre Unterlagen und schaut, ob sie alle Zettel bei der Hand hat. Vor Kolleg*innen „aufzutreten“ ist was ganz eigenes. Die Anderen wissen das natürlich und bald legt sich das Anfangsgeplauder und alle schauen gespannt Beate an. Sie räuspert sich: „Danke, dass ihr euch heute die Zeit nehmt, um mir Feedback zu geben. Ich umreiße noch mal ganz kurz, worum es mir geht.“ Die Gruppe, die sie angefragt hat, sind Personen aus dem mittleren Management, die eine Abteilung oder Projektgruppe leiten. Sie wollen ihre Leute ermutigen, sich zu beteiligen und können gleichzeitig das Ruder nicht ganz aus der Hand geben. „Ich möchte ihnen im Grunde ein Steuerungsmodell von Gruppen vorstellen und über die Rolle der Leitung reden.“ Beate sucht die zwei entsprechenden Handouts raus. „Seid so gut und fragt zwischendurch gerne, wenn etwas unklar ist. Ganz am Ende hätte ich gerne auch Feedback auf das Gesamtpaket und mein Auftreten.“ Die anderen nicken und Beate legt los.

Übersteuerung

„Die Funktion der Leitung ist ähnlich wie der von Trainerin oder Trainer in einem Seminar: Struktur zur Verfügung stellen und Verantwortung übernehmen! Was meine ich mit Verantwortung? Letztendlich sind Sie die Entscheidungsträger*innen: Die Projektleitung übernimmt die Verantwortung der nächsten Führungsebene gegenüber, die Trainerin übernimmt die Letztverantwortung für die Ausgestaltung des Seminars, die Pausen, das Ende, die nächsten Schritte. So. Nun kann das natürlich mehr oder weniger in Absprache und Koordination mit der Gruppe passieren. Wenn die Leitung sehr viel vorgibt, dann kann das für eine Gruppe gerade zu Beginn sehr angenehm sein: Es werden Vereinbarungen festgelegt (siehe Grumo #3) und der Rahmen abgesteckt, in dem Beteiligung möglich ist.“

Beate unterbricht kurz: „An dem Punkt würde ich die Teilnehmer*innen noch mal an die Erwartungsklärung und das Abklären der Arbeitsweise erinnern, die gerade vorher im Seminar passiert ist. Ihr müsst euch die jetzt einfach vorstellen.“ Die anderen nicken, Beate lächelt, nimmt wieder Haltung an und fährt mit ihren Ausführungen fort: „Wenn die Leitung nun weiterhin permanent Vorgaben macht, obwohl eigentlich die Beteiligung der Teilnehmer*innen vereinbart wurde, dann kann es leicht zu einer Übersteuerung kommen. Sichtbar wird eine Übersteuerung beispielsweise am Ausdruck von UnzufriedenheitArbeitsverweigerung, Desinteresse, Widerstand, Co-Referate, etc. Es macht den Eindruck, als ob der Hund drin wär.“ Beate nickt Paul zu, der wissend schmunzelt – denn beim letzten Treffen hatte er diesbezüglich einen Fall eingebracht.

Untersteuerung

Steuerungsmodell: Untersteuerung, Übersteuerung, passende Steuerung (v.l.n.r.)

„Wenn die Leitung wenig oder keine Verantwortung übernimmt, sondern alles gleich den Teilnehmer*innen überlässt, dann kann das zu Untersteuerung und ebenso zu Störungen führen. Die sichtbaren Effekte sind hier beispielsweise Demotivation, Lähmung, Unsicherheit und Konflikte untereinander. In beiden Fällen kann es passieren, dass die Leitung abgesetzt wird und jemand aus der Gruppe die Führung übernimmt. Das kennen Sie sicher aus dem einen oder andere Arbeitskontext, wenn eine Führungskraft ihre Verantwortung nicht übernimmt und eigentlich jemand anderer aus der Abteilung oder – ein Klassiker – die langgediente Sekretärin die Geschäfte lenkt.“

Beate teilt das erste Handout aus, auf dem Übersteuerung und Untersteuerung nochmal erklärt sind. „Zu unterschiedlichen Phasen braucht eine Gruppe mehr oder weniger Steuerung. Das ist nichts, was permanent festgeschrieben ist, sondern hängt von der Aufgabe ab, davon wie lange sich die Gruppe schon kennt und zusammenarbeitet und natürlich von den jeweiligen Persönlichkeiten. Rückmeldungen und Abfragen der Zufriedenheit (Wie-Geht’s-mir Runden) können helfen, schnell einen guten Eindruck von den Bedürfnissen in der Gruppe zu bekommen. Das macht die Rolle der Leitung herausfordernd, weil man neben inhaltlicher Steuerung auch noch den Gruppenprozess im Auge haben sollte, um entscheiden zu können, wie viel Eingreifen notwendig ist.“

Rolle der Trainer*in, Rolle der Leiter*in

„Sie sehen, es gibt viel Parallelen zwischen meiner Rolle hier als Trainerin im Seminar und den Anforderungen an Sie als Leitung einer Abteilung oder Projektgruppe. Sie können sich also, wenn Sie auf der Suche nach Ideen sind, Trainer*innen oder Führungskräfte vergegenwärtigen, die Sie in Ihrer Karriere schon erlebt haben und sich das eine oder andere abschauen – sowohl im positiven als auch im negativen Sinn. Ja bitte?“ – Rudi hat sich gemeldet. „Ich frag das jetzt als interessierter Teilnehmer: Wie würdest du denn mit Fehlern umgehen?“ „Mit Fehlern, die ich selber mache?“ fragt Beate nach. Rudi nickt. „Danke, das ist eine spannende Frage. Ich persönlich hab‘ eine recht offene Fehlerkultur: Wenn ich wo falsch abbiege, dann korrigiere ich den Kurs und sag‘ das auch den Teilnehmer*innen oder Mitarbeiter*innen. Wenn es ein kleiner Fehler ist, dann fällt er meistens gar nicht auf, dann reite ich auch nicht lange drauf rum, wenn es eine grundlegendere Fehleinschätzung war, dann haben es wahrscheinlich sowieso schon alle mitbekommen, dann kann man es gleich auch ansprechen!“ lacht Beate.

„Als Leitung steht man nicht als Person im Mittelpunkt, sondern mit der Funktion, die man inne hat. Und die Funktion muss sich bis zu einem gewissen Grad von ihren Befindlichkeiten trennen, weil die für das Vorankommen des Projekts nicht hilfreich sind. Diese Trennung ist oft gar nicht so einfach. Deswegen sind wohl manche Führungskräfte so extrem distanziert, weil das für sie die einzige Möglichkeit ist, Funktion und Person zu trennen. Ich hab für mich da eine ganz gute Mischung gefunden, mit der ich mich wohl fühle, aber ganz Persönliches und Privates hat in meiner Rolle als Leiterin trotzdem keinen Platz. Das ist eine Gratwanderung, die nicht einfacher wird, je länger man eine Gruppe begleitet. Jeder und jede muss da für sich eine gute Balance finden. Im Zweifelsfall ist hier auch Feedback von Kolleg*innen hilfreich.“ Beate streicht sich die Haare aus dem Gesicht. Das zweite Handout ist ein Arbeitsblatt, auf dem die Teilnehmer*innen anhand von Vorbildern ihren eigenen Umgang mit Abgrenzung zwischen Funktion und Person reflektieren sollen.

Eine offene Fehlerkultur ermöglicht rascheres Vorwärtskommen.

Feedback

Beate lehnt sich zurück. „So, das wäre ungefähr mein Plan. Ach ja, das Handout wird zuerst in Kleingruppen und dann im Plenum besprochen. Danach habe ich noch Zeit eingeplant für Fragen und Feedback. Jetzt bin ich aber gespannt auf euer Feedback!“ sagt Beate und schaut erwartungsvoll in die Runde. Die meisten sind noch mit dem Durchlesen des Handouts beschäftigt, Paul macht sich ein paar Notizen. „Am meisten hat mir gefallen, dass du so einen guten, unmittelbaren Bezug zum Seminar hergestellt hast. Das macht es so praxisnah!“ meint Maria. Paul nickt: „Ich find‘ deine Inputs echt gut. Nicht zu viel Theorie, praktisch anwendbar und dann was zum Überlegen auf der individuellen Ebene. Sehr gut aufgebaut.“ Auch die anderen sind angetan von Beates Input. Yasemine meint noch: „Ich kann mir da echt was mitnehmen. Ich komm‘ in solchen Fällen meistens mit zu detaillierten Theorien zu Gruppendynamik oder so. Die Leute finden das zwar interessant, aber manchmal zu wenig praktisch. Ich werde mir für meinen nächsten Input zu dem Thema gern was abschauen.“

„Wollen wir uns das nächste Mal die Gruppenphasen anschauen?“ fragt Paul in die Runde, „die würden jetzt gut passen, denke ich.“ Niemand scheint etwas dagegen einzuwenden zu haben. Also erklärt sich Paul bereit die Leitung zu übernehmen.

Autorinnen: Gerda Kolb und Irene Zavarsky

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#grumo_03: Vereinbarungen für gute Zusammenarbeit

Machen wir uns doch was aus…

Rudi ist stinksauer, als er die Nachricht an seine Kolleg*innen schickt, das nächste Treffen auszulassen. Er hat am Vortag das erste Mal mit einer neuen Gruppe gearbeitet und überhaupt keine Lust unter Menschen zu gehen. Yasmine ruft ihn an und fragt, ob sie etwas machen kann, um sein Stimmung zu verbessern. Kurz umreißt Rudi die erlebte Situation und zeigt sich ein bisschen ratlos, wie er sich auf den nächsten Termin mit der Gruppe vorbereiten soll. „Aber Rudi, dann ist ja unser Treffen genau das richtig für dich!“

Yasemine hat die Situation so oder so ähnlich schon öfters erlebt und meint, dass es doch gut wäre, den diesbezüglichen Erfahrungsschatz der anderen anzuzapfen. „Und was ist mit dem Thema, das Maria für unser Treffen vorbereitet?“ fragt Rudi am Telefon. „Stimmt, Maria wollte was über Vereinbarungen am Beginn von Lehrgangsgruppen erzählen. Aber Krisen haben Vorrang!“ beschwichtigt Yasmine und fügt hinzu, dass das Thema ja vielleicht trotzdem hilfreich sein könnte.

Gemeinsam Lösungen finden

Der kurze kollegiale Austausch mit Yasmine hatte bereits Wirkung gezeigt und Rudi ist – wieder einmal – daran erinnert worden, dass alleine die Beschreibung von schwierigen oder nervigen Situationen dazu beitragen kann, einen Umgang damit zu finden. Das bisher präsente Gefühl, einen Fehler gemacht zu haben und der Ärger darüber waren der Gewissheit gewichen, in einem geschützten Rahmen seine Erfahrungen teilen zu können. Er freute sich nun auf das Treffen. Häufig werden die regelmäßigen Zusammenkünfte unserer Kolleg*innen zur Intervision genutzt.

Was ist eigentlich passiert?

Die Lehrgangsgruppe hatte schon mehrere Seminartage miteinander verbracht und das Kennenlernen hatte laut den beiden Trainerinnen, die den Lehrgang mit der Gruppe gestartet hatten, gut funktioniert. Rudi hatte also begonnen wie immer in so einem Fall: Sich selbst vorgestellt und den Teilnehmer*innen Zeit zum Ankommen gegeben. In diesem Fall mit zwei Impulsfragen, die reihum im Plenum beantwortet wurden: Wie bin ich heute hierher gekommen? Welche Gedanken haben mich am Weg hierher begleitet? Die Fragen ermöglichen den Teilnehmer*innen, etwas über sich und ihren Alltag preis zu geben, die Dosierung und der Grad an persönlicher Offenbarung bleibt ihnen jedoch selbst überlassen.

Meist gibt es bei so einer Runde zum Ankommen gleich was zu lachen. Weil jemand ein lustiges Erlebnis oder auch eine Beobachtung, die am Weg gemacht wurde, erzählt. In Rudis Gruppe hatte eine Teilnehmerin lachend erzählt, dass sie fast zu spät gekommen wäre. „Ich hatte relativ viel Zeit in der Früh. Normalerweise muss ich auch gleich los, wenn die Kinder geschnäuzt, gekampelt und mit Jause ausgerüstet die Wohnung verlassen. Nachdem das Seminar ein wenig später losgeht als ich normalerweise zu arbeiten beginne, hatte ich noch eine halbe Stunde Zeit. Und das ist fatal! Ich fang‘ dann noch schnell was an und kann mir fast sicher sein, dass ich die Zeit übersehe!“ Einige Andere in der Gruppe hatten in das Lachen eingestimmt oder mit einem Nicken bestätigt, dass ihnen dieses Phänomen durchaus bekannt ist. Soweit so gut.

Klarheit und Struktur

Danach stellte Rudi das Programm für den Tag vor und gab Raum für Fragen, wovon jedoch niemand Gebrauch machte. Ab dem Zeitpunkt war die Stimmung schon ein wenig anders, stellte Rudi jetzt in der Reflexion fest. Im Folgenden machte sich immer wieder Unruhe und Widerstand bemerkbar. Rudis Arbeitsaufträge wurden von einzelnen Leuten in Frage gestellt. Was andere Teilnehmer*innen merklich nicht so gut fanden. Missverständnisse entstanden, Anleitungen wurden unterschiedlich aufgefasst, aber niemand fragte nach. Es schien überhaupt so, als ob die Gruppe sich miteinander nicht sehr wohl fühlen würde. Das wiederum verunsicherte Rudi. Er bemühte sich, besonders genau und sauber zu arbeiten, lud aktiv ein, Verständnisfragen zu stellen und versuchte besonders aufmerksam ratlose Gesichter wahrzunehmen, um entsprechend reagieren zu können. „Aber irgendwie war schon der Hund drinnen“, meinte Rudi nachdenklich.

Regeln & Vereinbarungen

Mittlerweile waren die anderen – Yasemine, Paul, Maria und Beate – im Bilde von Rudis Schwierigkeiten und gerne bereit, ihre Gedanken mit ihm zu teilen und so Antworten auf Rudis Frage zu finden: „Wie soll ich mich auf den nächsten Termin mit der Gruppe vorbereiten?“
Rudi sitzt ein bisschen ratlos mit hängenden Schultern in der Runde. Maria, die selbst schon einige Lehrgänge begleitet hat, ist neugierig auf das Programm, das die Trainerinnen des ersten Seminars mit der Lehrgangsgruppe durchgemacht haben. „Hattest du eine Übergabe mit den beiden Trainerinnen? Oder weißt du, was die gemacht haben?“ Rudi meint „Na ja, so ungefähr weiß ich es schon. Die Lehrgangsleitung hat Infos bekommen und die mir telefonisch weitergegeben.“ Laut dem Telefonat waren die Themen Kennenlernen, das Curriculum gemeinsam durchgehen und Fragen dazu besprechen sowie die Bildung von Peergruppen. Rudi wusste auch, wie die Kolleginnen zu Beginn methodisch vorgegangen waren, danach wurde das Bild etwas unschärfer.

Wie wollen wir zusammenarbeiten?

„Es kann jetzt natürlich ein Zufall sein, weil ich das Thema für heute vorbereitet habe, aber was mir gleich aufgefallen ist: Vereinbarungen zur Zusammenarbeit waren kein Thema?“ wirft Maria ein. Das weiß Rudi nicht. Entweder wurde die Info nicht an ihn weitergegeben oder die Gruppe hat tatsächlich nicht miteinander vereinbart, wie sie ihre Zusammenarbeit während des Lehrgangs gestalten möchte. „Aber wie dem auch sei, jetzt wo du das so konkret ansprichst, fällt mir auf, dass die Teilnehmer*innen verunsichert darüber zu sein schienen, was sie dürfen und was nicht. Beispielsweise Fragen stellen oder Arbeitsaufträge in Frage stellen.“

„Aber ich gebe doch vor, wie sie arbeiten sollen, teile sie in Kleingruppen ein und gib ihnen Arbeitsaufträge!“ meint Beate, „was kann denn da nicht klar sein?!“ Es seien unterschiedliche Grade an Selbstorganisation gefordert, erwidert Maria. Bei Fachtrainings stehe das Programm oft von vornherein fest, es gibt einen klaren Ablauf und Arbeitsaufträge, die gemeinsam abgearbeitet werden. Je prozessorientierter angelegt, desto wichtiger ist es, sich auch über Regeln und Notwendigkeiten für eine gute Zusammenarbeit auszutauschen. Bei einem Lehrgang, der die Teilnehmer*innen dazu befähigen soll, mit Gruppen zu arbeiten, ist es durchaus sinnvoll, so einen Prozess selbst zu erleben und zu reflektieren.

Was brauchen wir für gute Zusammenarbeit?

„Das muss auch gar nicht aufwändig sein“ fährt Maria fort. „Nachdem die Teilnehmer*innen sich schon ein wenig kennen und erste Erfahrung miteinander gemacht haben, fordere ich die Gruppe dazu auf, sich zu überlegen, wie sie sich die künftige Zusammenarbeit vorstellen, was sie selber dazu beitragen werden und was sie von den anderen dazu brauchen.“

Yasemine integriert Fragen dieser Art häufig in eine Erwartungsklärung, die sie am Beginn der Zusammenarbeit mit einer Gruppe macht. „Ich kommuniziere der Gruppe ja auch, was ich brauche, damit ich gut arbeiten kann. Also, beispielsweise dass die Telefone auf lautlos sein sollen und dass Rückmeldungen auch zwischendurch willkommen sind, nicht erst am Ende“ meint Yasemine weiter. „Grade bei einer Lehrgangsgruppe finde ich Vereinbarungen, wie sie miteinander tun wollen, sehr wichtig. Schließlich ist der eigene Lernerfolg und der als Gruppe davon abhängig. Ganz zu schweigen vom dem Prozess, dass jede und jeder sich bewusst macht, was sie dafür brauchen und wie sie ihre Anliegen und Forderungen formulieren können. Der Einigungsprozess, durch den die Gruppe dann gemeinsam muss, ist außerdem oft ein erstes, wichtiges, gemeinsames Ergebnis. Am liebsten ist es mir, wenn am Ende dieses Aushandlungsprozesses Regeln und Leitlinien rauskommen, schriftlich festgehalten auf einem Flip. Manchmal unterschreiben auch alle, wie bei einem Ritual und es entsteht eine feierliche Atmosphäre, die toll ist für die Identität der Gruppe.“

Für Rudi ist nun Vieles klar geworden. Auch Beate nickt interessiert und hat sich einige Notizen gemacht. Rudi findet die Vorschläge super und hat auch selbst schon solche Vereinbarungsprozesse angeleitet. Er nimmt sich vor, wieder mehr Achtsamkeit auf Übergaben und Vorab-Informationen zu legen. So wie er das auch zu Beginn seiner Trainertätigkeit getan hat. Manchmal ist auch die Routine, die sich durch Erfahrung einstellt, der Hund!

Autorinnen: Gerda Kolb und Irene Zavarsky

Dieses Werk ist lizenziert unter einer Creative Commons Namensnennung – Nicht-kommerziell – Weitergabe unter gleichen Bedingungen 4.0 International Lizenz.

Dieser Beitrag wurde am  von  in Tools & Tipps für TrainerInnen veröffentlicht.

#grumo_02: Kennenlern- und Wie-geht’s-mir-Runden

Was braucht so eine längerfristige Gruppe eigentlich?

Dass eine zusammengewürfelten Runde von Personen zusammenfindet, sich kennen lernt, sich als „Gruppe“ definiert und auch längerfristig gemeinsam „funktioniert“ scheint ein völlig alltäglicher Vorgang zu sein. Das passiert doch von selber – oder?? Was eine Gruppe braucht, um eine Gruppe zu werden und zu bleiben, darum geht’s im #grumo_02!

„Ich find’s ja lustig, aber mir geht’s jedes Mal gleich: kurz bevor das Seminar anfängt und die Leute schon eintrudeln bin ich voll genervt. Ich mag die alle nicht kennen lernen, fühl mich überfordert und würde am liebsten weg. Meistens schon am Nachmittag vom ersten Tag und ganz sicher nach dem zweiten Tag find ich die Gruppe plötzlich sympathisch, die meisten Leut‘ interessant und mit ein paar wäre ich ehrlich an weiteren Gesprächen interessiert. Schräg, oder?“

Maria lehnt sich zurück und schaut zu Yasmine, die sich für das heutige Treffen bereit erklärt hat, inhaltlich ein paar Punkte vorzubereiten. „Mir geht’s genauso“ – Paul hakt gleich nach – „Ich weiß, dass sie mir nach spätestens einem Tag anfangen ans Herz zu wachsen, aber so ganz zu Beginn möchte ich am Liebsten gar niemanden kennen lernen. Das ist mir auch bei uns so gegangen.“ – Er schaut ein bisschen verlegen in die Runde – „Am ersten Seminartag war ich innerlich ganz viel mit Augenverdrehen beschäftigt.“

Yasmin setzt gleich ein: „Voll gut, dass ihr gleich so ins Thema einsteigt! Könnt ihr einen Zeitpunkt festmachen, ab dem sich die Ablehnung in Interesse verwandelt hat?“ – Paul überlegt kurz: „Naja, ich glaub das war nach der ersten Vormittagseinheit. Beim Mittagessen hab ich mit Beate schon nett geplaudert und dann hat sich Maria zu uns gesetzt, mit ihr war ich vorher schon in der Kleingruppe, und da haben wir uns gut verstanden.“ Rudi holt schon Luft, um zu einer Erklärung anzusetzen, aber Yasmine steht auf und meint: „Wart mal, Rudi, du kannst mich gern später ergänzen, aber ich will euch mal vorstellen, was ich mir für euch heute überlegt habe.“

Rahmen und Struktur ermöglichen Arbeitsfähigkeit

„Das, was längerfristige Gruppen jedenfalls brauchen ist ein Ziel, die Bereitschaft sich aufeinander einzulassen und einen klaren Rahmen bzw. eine klare Struktur. Der Rahmen und die Struktur ist bei Seminargruppen oft durch die Seminarorganisation vorgegeben: Ort, Dauer und zumindest grob die Inhalte. Selbstorganisierte Gruppen – so wie wir hier – müssen sich die Struktur und den Rahmen selber vereinbaren.“ – Alle nicken. Es war gar nicht so einfach einen passenden Tag und ein Lokal für das regelmäßige Treffen zu finden, das für alle halbwegs gleich gut erreichbar ist. „Das sind mal formale Kriterien. Jetzt geht es um die Zugehörigkeit. Die erste Frage bei Teams und Gruppen ist: Wer ist dabei? Wer gehört dazu?“

Am Anfang will ich am Liebsten gar niemanden kennen lernen….

Klingt banal, aber wenn das unklar ist, dann strudelt die Gruppe von Anfang an dahin. Wenn ihr an Seminare denkt und Leute, die erst später dazu kommen, dann bringt das ein bisschen Unruhe in die Gruppe. Weil eigentlich durch eine neue Person schon eine neue Gruppe entsteht. Und gerade am Beginn ist das sehr stark spürbar. Wenn eine Gruppe dann schon länger besteht und jemand dazu kommt, gibt’s häufig bereits klare Vereinbarungen, die diskutiert und verhandelt werden können. Am Anfang sind die noch im Entstehen und deswegen kann das richtig frustrierend werden, wenn Personen erst nach einem halben Tag einsteigen.“

Wer bist du…

Yasmine nimmt einen Schluck von ihrem Kaffee und schaut zu Beate. „Du hast letztes Mal Wie-geht’s-mir-Runden angesprochen. Ich bin da ein großer Fan davon, so wie von ausführlichem Kennenlernen zu Beginn vom Seminar, ich sag dir auch gleich warum. Wenn mal klar ist, wer dazu gehört, dann ist der nächste Schritt sich ein Stückchen besser kennen zu lernen. Maria, du hast gemeint, am Anfang gehen dir alle auf die Nerven. Voll verständlich, so viele neue Leute sind für jeden Menschen überfordernd. Und auf Unsicherheit reagieren manche mit genervt sein, andere werden besonders witzig, oder ziehen sich ganz zurück. Um schnell arbeitsfähig zu werden ist es wichtig, dass jede und jeder ein bisschen was von sich her gibt, etwas Persönliches in die Gruppe legt. Und dazu sind Vorstellungs- oder auch Befindlichkeits-runden gut geeignet. Wenn jede/r schon mal ein bisschen was von sich erzählt hat, gibt es Anknüpfungspunkte. So wie du gemeint hast, Paul, dass du dann beim Mittagessen schon mit Beate und Maria geplaudert hast.“

Paul nickt. Beate ist noch nicht überzeugt: „Ich sehe was du meinst, aber zum siebzehnten Mal den gleichen Sermon von wer ich bin und was ich mache runterleiern, das bringt mich den anderen nicht wirklich näher.“ Yasmine lacht. „Ja, da hast du natürlich recht. Für seminarerprobtes Publikum sind Kennenlernübungen echt eine Herausforderung. Die Auswahl einer interessanten Methode trägt natürlich sehr dazu bei, wie gut das Kennenlernen für die Teilnehmer*innen funktioniert. Am REFAK Blog gibt’s da eine gute Sammlung zu etwas innovativeren Methoden. Ich schick euch gern den Link dazu.“

… und wie geht’s dir?

„Und wann machst du dann wie-geht’s-mir-Runden?“ Beate ist immer noch skeptisch. „Naja,“ meint Yasmine, „ich mach gern kurze Blitzlichter, wo alle nur ein kurzes Stimmungsbild abgeben, wie es ihnen grad geht. Das mach ich gern am Ende von einem Seminartag, um für den nächsten Tag ein bisschen besser planen zu können. Wenn alle super zufrieden sind, gehe ich in die Richtung weiter. Wenn alle sich eigentlich was anderes erwartet hätten, kann ich den Kurs noch korrigieren. Je nach Gruppe mach ich auch oft nur ein Daumenfeedback (Daumen hoch, mittel oder Daumen runter, wichtig: Alle gleichzeitig, auf drei). Manchmal auch am Beginn vom zweiten oder dritten Seminartag, um einen Eindruck zu bekommen, ob alle halbwegs da sind mit den Gedanken. Wenn eine recht intensive, konfliktträchtige Einheit war, dann ist es mir wichtig, vor der Pause zu wissen, ob alle gut in die Pause gehen können. Da frag ich dann einfach nach der Befindlichkeit auf einer Skala von 1-10, ohne Erklärung dazu. Für mich ist das eine wichtige Information, damit ich weiß, ob ich nach der Pause mit dem Programm weitermachen kann oder der Konflikt noch Raum braucht.“

Yasmine denkt kurz nach. „Aber ich versteh deine Genervtheit damit. Es gab eine Zeit, da ist das ein bisschen ausschweifend verwendet worden.“ Beate runzelt die Stirn. „Also mit diesen Skalen und der konkreten Nachfrage, ob sie zufrieden sind mit der Richtung, da kann ich schon was anfangen.“ Yasmin lächelt und zuckt die Achseln: „Ich glaub, es muss halt zur Trainerin oder zum Trainer passen. Wenn’s aufgesetzt wirkt und kein echtes Bedürfnis dahinter steckt, dann kann man es gut auch sein lassen.“

Gleich selber ausprobieren

Yasmine lehnt sich zurück und greift zu ihrem Kaffee „Unsere vereinbarte Zeit ist eh schon fast wieder vorbei. Wollen wir zum Abschluss gleich eine Blitzlichtrunde ausprobieren? Mich würd interessieren, ob euch meine Gedanken was gebracht haben und wie wir nächstes Mal weiter machen sollen.“ Sie blinzelt Beate an „Willst du gleich anfangen?“ – „OK. Ich mach’s kurz: Danke für die Vorbereitung. Ich werde mal in Zukunft mit so Runden experimentieren und die alternativen Kennenlernübungen am REFAK Blog schau ich mir auch an.“ Beate gibt weiter an Paul. „Ich bin froh, dass es nicht nur mir so geht mit Gruppen am Anfang. Danke und ich würd‘ gern da weiter gehen in die Richtung, was Gruppen am Anfang brauchen.“ Paul schaut zu Maria: „Ich schau mir auch den REFAK Blog an. Blitzlichtrunden mach ich eh oft und hab‘ gute Erfahrungen damit.“ Sie schaut weiter zu Rudi, der räuspert sich „Guter Einstieg ins Thema. Vielen Dank!“ Yasmine zieht verschmitzt die Augenbrauen hoch: „Was? Gar keine Ergänzungen?“ Rudi fährt sich über die Glatze und lacht: „Nein. Ich könnt nur wiederholen was du gesagt hast, und das wär ja echt unnötig.“

Paul schaut Maria an: „Du, sag‘, ihr macht doch auch zum Beginn vom Lehrgang immer so Vereinbarungen über die gemeinsame Arbeitsweise. Wollen wir da vielleicht nächstes Mal was dazu erzählen?“

Autorinnen: Gerda Kolb und Irene Zavarsky

#grumo_01: Mit Gruppen arbeiten

Die neue #GruppenMontag-Serie am REFAK Blog geht los!

Was bringt mir das Wissen über die Arbeit mit Gruppen?

Im #grumo beschäftigen sich Gerda Kolb und Irene Zavarsky mit Gruppen und allem was dazu gehört: Erwartungen, Kennenlernen, Konflikte, Störungen, Dynamiken, gute Einstiege und rasante Finishes. Es geht dabei nicht darum absolute Wahrheiten zu formulieren, sondern Möglichkeiten aufzuzeigen, wie in den jeweiligen Situationen (re)agiert werden kann und so das Handlungsrepertoire der Leser*innen zu erweitern und produktiven Austausch zu fördern. Kommentare über eigene Erlebnisse und Strategien sind herzlich Willkommen und sehr erwünscht!

Thema sind Gruppen, mit denen wir zu tun haben: als Workshopleiter*innen, als Referent*innen, als Teilnehmer*innen einer Weiterbildung, als Team-Mitglied, in einer Leitungsposition oder auch selbstorganisierte Gruppen. Eine solche ist zum Beispiel die, die sich beim REFAK Seminar kennengelernt hat und sich seither regelmäßig zum Austausch trifft. Um sie wird es im Folgenden gehen.

Unsere Fallgruppe

Da wäre zuerst einmal Beate: Sie ist Wirtschaftswissenschaftlerin und arbeitet seit einigen Jahren in einer Arbeiterkammer. Sie ist nicht nur jüngstes Gruppenmitglied, sondern auch ganz schön pragmatisch. Wenn sie eine Seminargruppe anleitet, steht für sie der Inhalt im Vordergrund. Beate ist vor allem interessiert an Tipps, um mit Störungen und Konflikten in Gruppen besser umgehen zu können. Paul ist Angestellter einer Gewerkschaft und dort als Administrator tätig, gleichzeitig ist er auch Lehrgangscoach in der Gewerkschaftsschule. Er liebt seine Arbeit und tut alles für die Gruppen, die er begleitet. Ein offener Umgang mit Reibereien und Konflikten ist nicht seine große Stärke. Ganz im Gegensatz zu Yasmine, Fachtrainerin und Einzelunternehmerin. Gruppendynamik ist ihr Ding, sie liebt herausfordernde Situationen und „dicke Luft“ und ist oft genervt von dem Feedback, dass sich die Gruppe mehr Inhalte erwartet hätte. Zu den regelmäßigen Treffen gehört auch Rudi, Psychotherapeut und Supervisor von Beruf. Er ist der Älteste der Runde und hat dementsprechend viel Erfahrung. Sein Augenmerk richtet er vor allem auf einzelne Personen in Gruppen und deren Funktionen, Rollen und Anliegen. Mit Maria, Lehrgangsleiterin einer Betriebsrätinnen Akademie, ist die Runde komplett. Sie hat schon viel mit Gruppen erlebt und weiß, dass es nicht immer ohne Reibung geht. Das findet sie zwar ganz spannend, gleichzeitig weiß sie aber, dass die Vermittlung von Inhalten bei den meisten Teilnehmer*innen höher im Kurs steht.

Kennengelernt haben sich die fünf bei einer Weiterbildung zum Thema – nonaned – Arbeit mit Gruppen. Sie haben sich auf Anhieb gut verstanden und beschlossen, ihre Erfahrungen und Erlebnisse füreinander zugänglich zu machen und treffen sich daher seit geraumer Zeit alle zwei Wochen zum Austausch und Reflexion. Schon oft haben sie sich gegenseitig mit Hinweisen und Tipps unterstützt und für die nächsten Monate lassen sie auch uns an ihrem fachlichen Austausch teilhaben.

Das erste Treffen der Fallgruppe

Bei ihrem ersten Treffen geraten sich Beate und Yasmin beinahe in die Haare, weil Beate darüber lästert, wozu man in der gewerkschaftlichen Erwachsenenbildung überhaupt über Gruppendynamik Bescheid wissen muss: Der Inhalt stehe doch im Vordergrund und es könnten sich ja alle vernünftig und erwachsen verhalten. Puh. Da ist es kurz hoch her gegangen. Paul war schon ganz verzagt. Zum Glück kann Rudi mit seiner Ruhe und Erfahrung ein bisschen Wind rausnehmen. Er erklärt, was es mit Gruppen so auf sich hat:

„Sobald drei oder mehr Menschen eine Gruppe bilden, entstehen bestimmte Dynamiken und Verhaltensweisen. Ob wir wollen oder nicht. Das ist nicht nur furchtbar spannend und lässt sich gut beobachten, sondern das Wissen darum, was in Gruppen geschieht, ist äußerst hilfreich, wenn wir in und mit Gruppen arbeiten.“ – „Aber was ist das überhaupt, eine Gruppe im Vergleich zu einem Haufen Menschen?“ wirft Beate ungeduldig ein. Rudi nickt: „Die gängigen Theorien gehen davon aus, dass es sich um mindestens drei Personen handelt, die gemeinsame Ziele haben, in regelmäßigem Kontakt miteinander stehen und sich der Gruppe auch zugehörig fühlen, sich also als „wir“ begreifen“.

Erst wenn bestimmte Bedingungen erfüllt sind, wird eine Ansammlung zu einer Gruppe.

Erst wenn alle drei Bedingungen erfüllt sind, sprechen wir von einer Gruppe. Eine Anhäufung von Menschen, die beispielsweise auf die Straßenbahn warten, gilt in einem soziologischen oder psychologischen Kontext nicht als Gruppe. Auch die maximale Anzahl der Personen spielt eine Rolle. In einer Gruppe sollte es möglich sein, den Überblick zu behalten, zu wissen wer dazu gehört und wer nicht, wer da ist oder fehlt, oder auch welche Anliegen es gibt. In der Literatur wird häufig 12 als die ideale Personenanzahl für eine Gruppe angegeben. Andere Gruppendynamiker*innen, das sind diejenigen, die sich in Theorie und Praxis mit Gruppen beschäftigen und deren Dynamiken erforschen, sprechen von maximal 16 oder gar 30 Personen als Gruppe, in dem vorab beschriebenen Sinn.“

Rudi lehnt sich zurück und Yasmin schaut Beate an: „Wir sind auch eine Gruppe – zumindest wenn wir uns weiterhin regelmäßig treffen. Da werden wir schon noch ein paar Dynamiken erleben.“ Beate schaut etwas skeptisch „Ist ja gut. Aber ich fange nicht jedes Treffen mit einer Wie-Geht’s-Mir – Runde an! Da krieg ich Ausschlag!“ Yasmin lacht und meint: „Nein, müssen wir ja nicht. Aber wenn ihr wollt, dann bereite ich für das nächste Treffen was vor zum Thema „Was brauchen längerfristige Gruppen am Anfang, damit sie gut arbeiten können?“. Dann können wir an uns selbst erproben, was für unsere Gruppenkultur passt.“ – Der Vorschlag wird angenommen und alle sind froh, dass sich Yasmin bereit erklärt hat, etwas vorzubereiten. Beim Gehen schubst Beate Yasmin noch mal an: „Ich wollt vorher nicht so heftig werden.“ – „Ist schon gut“ zwinkert Yasmin „Ich mag’s, wenn ein bisschen die Funken fliegen. Das bringt Leben in die Sache.“

Das nächste Mal: „Was brauchen Gruppen am Anfang, damit sie gut arbeiten können?“

Autorinnen: Gerda Kolb und Irene Zavarsky