#grumo_17: Wo ist die informelle Kommunikation geblieben?

Über die Feiertage des vergangenen und neu begonnenen Jahres haben sich unsere fünf Expert*innen für die Arbeit mit und in Gruppen nicht zu einem ihrer regelmäßigen Treffen eingefunden – Weihnachtspause war angesagt. Dennoch dürfen wir teilhaben am Austausch zu einem aktuellen Thema, den Beate, Yasemine, Rudi, Maria und Paul über Email geführt haben. Wie bei vielen anderen Menschen auch haben die besonderen Bedingungen der letzten Monate zu Ermüdungserscheinungen und Frust geführt.

Maria fand es in den letzten Wochen besonders schwierig, auch weil ihr die sozialen Kontakte in der Arbeit total fehlen und sie diese grade in der Vorweihnachtszeit immer so genossen hatte.

Betreff: Kein Weihnachten im Büro 🙁
Von: Maria

Ich vermisse meine Kolleginnen und die kurzen Gespräche, die wir zwischendurch führen. Wir haben uns heuer auch gegenseitig keine Weihnachtskekse mitgebracht. Das macht mich wirklich ziemlich traurig. Wir sehen uns zwar regelmäßig bei Besprechungen über Videotelefonie und ein, zwei Kolleginnen treffe ich auch, wenn ich zwischendurch einen Tag im Büro bin, aber Maske und Abstand halten laden nicht unbedingt ein, sich länger als nötig zu unterhalten. Außerdem bin ich mir unsicher, was für das Gegenüber ok ist und was nicht. Mir war gar nicht bewusst, wie wichtig mir dieser Aspekt – irgendwie auch privater Kontakt mit den Kolleg*innen – bei meinem Job ist. Wie geht es euch damit?

Betreff: AW: Kein Weihnachten im Büro 🙁
Von: Beate

Ich weiß genau was du meinst! Der Weihnachtskram geht mir zwar nicht ab (sorry, no offense!), aber irgendwie ist der ganze Teamspirit weg! Diese Tür- und Angelgespräche, die mich sonst oft aufgehalten und zum Teil auch genervt haben, gehen mir jetzt echt ab. Ich bin auch drauf gekommen, dass sie nicht nur soziale Funktion haben, sondern auch viele Informationen so weiter gegeben werden. Ich hab‘ mir jetzt mal vorgenommen, als Neujahrsvorsatz sozusagen, öfter mal Kolleg*innen anzurufen und, neben beruflichen Fragen, auch ein wenig zu plaudern. Aber ich will ja auch niemandem auf die Nerven gehen… Help!

Betreff: AW: Kein Weihnachten im Büro 🙁
Von: Paul

Oh ja, ihr sprecht mir aus der Seele! :-)) Nur habe ich anscheinend viel kürzer durchgehalten als ihr. Ich hatte schon im Herbst überhaupt nicht mehr das Gefühl, Teil von einem Team zu sein. Wir haben uns regelmäßig zur Teamsitzung getroffen – meistens virtuell natürlich – und das war’s dann auch schon. Außerdem waren die virtuellen Teamsitzungen viel kürzer, als wenn wir das im Besprechungsraum machen. Selbst wenn wir im Büro sein konnten/durften, waren viel weniger Leute gleichzeitig da und Begegnungen wurden eher vermieden.

Das war dann in einer Teamsupervision im Oktober mal Thema. Ich hatte es gar nicht eingebracht, auch andere Kolleg*innen hatte diese Situation belastet. Zwei Dinge sind seitdem anders geworden: Wir machen jetzt wöchentlich Teamsitzung, statt alle zwei Wochen, und es dauert immer 90 Minuten, egal wie viele oder wenige Themen es gibt. Das funktioniert ganz gut und ich hab‘ den Eindruck, alle sind ein bissl entspannter.

Wir können jetzt auch besser mit dem Online-Format umgehen und unsere Teamleitung hat sich zum Thema Online-Moderation weitergebildet. Das merkt man total! Und wir haben schon seit zwei Monaten einen „digitalen Pausenraum“ (so nennt das unsere Supervisorin…). Das ist einfach ein Zoom-Link, der zwei Mal die Woche von 12 bis 13 Uhr aktiv ist und der zum gemeinsamen Pause machen genutzt werden kann. Wir machen da also gemeinsam Mittagspause, wer halt mag. Ich nutze diese Möglichkeit fast immer und mein Teamgefühl ist schon ein Stück weit zurückgekehrt.

Betreff: AW: Kein Weihnachten im Büro 🙁
Von: Yasemine

Das ist der Vorteil, wenn man eine EPU ist: Es gibt sowieso kein Team(gefühl), mit oder ohne Pandemie. Das klingt jetzt sehr zynisch, ich weiß. Aber es ist in den letzten Monaten tatsächlich von Vorteil gewesen, dass ich mich seit meiner Selbstständigkeit aktiv um Austausch, auch informellen, kümmern muss. Das ist ja auch ein Grund, warum ich unsere Runde mit initiiert habe. Ich treffe keine Kolleg*innen automatisch, wenn mein Arbeitstag beginnt. Wie ihr wisst, arbeite ich als Fachtrainerin meistens alleine und treffe also hauptsächlich Teilnehmer*innen und Auftraggeber*innen. Und wenn ich zu zweit trainiere, dann sehe ich den/die Kolleg*in auch nur zur Vorbereitung und Durchführung der Trainings. Da ergeben sich natürlich zum Teil auch andere Gesprächsthemen, aber wenn dafür nicht dezidiert Zeit eingeplant wurde, ist auch das schwer möglich.

Deswegen habe ich mich auch schon vor Corona regelmäßig zum Mittagessen oder auf einen Kaffee getroffen. Aber nicht nur mit Freund*innen, sondern auch mit Kolleg*innen aus dem Feld. Diese Begegnungen haben dann sowohl privaten als auch beruflichen Charakter, was ich total schätze und wichtig finde. Seit Corona versuche ich das insofern fortzusetzen, als dass ich Kolleg*innen weiterhin treffe – entweder virtuell oder zum Spazieren gehen. Beides funktioniert ganz gut, obwohl ich mich natürlich schon sehr darauf freue, mich auch wieder in einem Café treffen zu können!

Ich habe in den letzten Monaten auch wieder verstärkt Intervisionsgruppen genutzt, auch um mit der erhöhten Belastung durch diese blöde Pandemie (!!!) umzugehen. Super dabei: Ich bin jetzt auch in einer überregionalen Gruppe, mit Kolleg*innen aus unterschiedlichen Bundesländern. Physische Treffen für zwei, drei Stunden wären da viel zu aufwendig und ich bin dankbar über diesen „Corona-Effekt“. :-))

Betreff: AW: Kein Weihnachten im Büro 🙁
Von: Rudi

Ihr Lieben, ich habe insgeheim schon auf dieses Thema gewartet, muss ich zugeben. Mit geht’s ja ähnlich wie dir, Yasemine, und ich hab‘ einen guten Umgang mit der Situation gefunden. Aber als Supervisor bin ich seit Monaten ganz stark mit dem Thema beschäftigt. Meine Supervisand*innen, sowohl im Einzelsetting als auch in der Teamsupervision und auch in der Arbeit mit Führungskräften, nehmen dieses Wegfallen der informellen Kommunikation ganz stark wahr. Und für viele ist es überraschend, welch‘ ein wichtiger Aspekt für das Funktionieren von Zusammenarbeit diese Begegnungen sind.

Bei einigen Organisationen konnte ich, vor allem im Frühling, beobachten, dass Orte und Möglichkeiten von Kommunikation und Austausch nicht nur auf Grund der Umstände weggefallen sind, sondern auch aktiv „weggenommen“ wurden. Es wurden zum Beispiele Teambesprechungen abgesagt oder Teamsupervisionen ausgesetzt, über Monate! Die Idee dahinter war, dass in einer Art „Notfallmodus“ nur das ganz Wichtige passieren soll – in vielen Organisationen, die ich als Supervisor und Coach begleite, ist das eben die Arbeit mit den Klient*innen. Die sollten und durften nicht „alleine gelassen“ werden.

Dass aber Abstimmung, Koordination und Austausch unter den Mitarbeiter*innen genauso wichtig und sogar Voraussetzung ist, das zu erkennen, hat einige Zeit gedauert und bei manchen Organisationen ist das immer noch nicht passiert. Ich würde sogar behaupten, dass die Aufrechterhaltung von Kommunikationsräumen, formell und informell, in Krisensituationen noch wichtiger ist als sonst.

Ihr habt ja eh schon einige Möglichkeiten genannt, die ich hier gerne nochmal zusammenfassen und auch ein wenig ergänzen möchte:

  • Einander anrufen, statt berufliche Fragen über Email zu klären – so ergeben sich eher auch Plaudereinen.
  • Digitale Räume/Videotelefonie auch für gemeinsame Pausen nutzen – am besten initiiert von der Leitung, damit alle wissen, dass das in Ordnung bzw. sogar gewünscht ist.
  • Regelmäßige Intervision für den kollegialen Austausch – geht auch virtuell wunderbar und sogar überregional.
  • Gemeinsam spazieren gehen statt virtueller Besprechung – funktioniert super, wenn max. zu dritt. Man kann aber auch alleine spazieren gehen und via Smartphone in Verbindung sein. Dabei empfiehlt es sich, die Kamera auszuschalten (ein wackeliges Bild kann Übelkeit auslösen) und ein Headset zu nutzen. So können auch mehrere Leute einzeln-gemeinsam spazieren gehen und sich dabei austauschen.
  • Was ich auch gerne empfehle, ist ein gemeinsamer Start in den Arbeitstag – wo das Team oder auch nur diejenigen, die sich sonst ein Büro teilen, sich zu Beginn des Arbeitstages für eine halbe Stunden treffen und plaudern oder einander updaten, was ansteht für den Tag. Hier sind viele Varianten möglich, z.B. auch als Abschluss des Arbeitstages oder als Jour Fixe mittendrin. Regelmäßigkeit ist hier wichtig und immer wieder mal gemeinsam schauen, ob das Format so passt.
  • Und noch eines, weil ich das gerade erlebt habe: Auch (Weihnachts-)Feiern sind möglich! Feierlichkeiten, die üblicherweise am Arbeitsplatz begangen werden, müssen nicht ausfallen. Es zahlt sich aus, auch Alternativen zu überlegen – wie es beispielsweise ein Team, das ich begleite, gemacht hat. Die Leitung hat allen Mitarbeiter*innen ein kleines Paket zur Abholung bereit gestellt, wo Zutaten für Punsch, eine Kerze und ein paar Kekse drinnen waren, sowie die Aufforderung, mit jeweils zwei anderen Kolleg*innen etwas für die Online-Weihnachtsfeier vorzubereiten. Das hat anscheinend super geklappt, es wurden Lieder gesungen, Instrumente gespielt und ein Gedicht szenisch dargestellt. Tränen vor Lachen und Rührung inklusive!

Ach ja und: ALLES GUTE, GESUNDHEIT und GLÜCK für 2021!

Betreff: Einladung Meeting
Von: Beate

Hier gleich ein Themenvorschlag für unser nächstes Treffen: Was ist, wenn mich die Gruppe nervt? Frohes neues Jahr auch von mir und bis bald!

Autorinnen: Gerda Kolb und Irene Zavarsky

#grumo_16: Notfallpläne. Was tun, wenn… ?

Im Seminaralltag tauchen immer wieder Überraschungen und Herausforderungen auf, die selbst ganz alte Hasen und Häsinnen kurz stutzen lassen. Bei ihrem letzten Treffen vor den Feiertagen wollen unsere fünf Expert*innen für die Arbeit mit Gruppen Strategien für Notfallpläne austauschen. Sie beginnen mit einem kurzen Blitzlicht, um festzustellen, wie es allen gerade geht. Um zu wissen, wer dran ist, geben sie einen Kugelschreiber von Bild zu Bild. Allein das sorgt in den ersten Minuten schon für Belustigung.

Yasemine hat die Moderation des heutigen Treffens übernommen. Seit sich die Gruppe online trifft, haben sie sich Regeln für die Treffen ausgemacht: Wer etwas sagen will, hebt die Hand und wird von der Person, die die Moderation inne hat, dran genommen. Das dauert zwar ein bisschen länger und erfordert mehr Disziplin, gerade bei spontanen Ideen, stellt aber sicher, dass die Wortmeldungen sich nicht überlagern.

Schwierige Co-Trainer*in

Maria und Paul haben beide eine sehr ähnliche Begebenheit zu berichten: Während des Seminars stellte sich nach und nach heraus, dass sich der zweite Trainer bzw. die zweite Trainerin nicht richtig vorbereitet hatte. „Ich hab innerlich echt die Augen verdreht“ meint Maria, „aber was willst du denn machen, du kannst sie ja nicht völlig bloß stellen vor der Gruppe. Also hab ich hat gute Miene gemacht und versucht, möglichst viel auszugleichen. Das war ein höllisch anstrengendes Seminar! Ich bin mir sicher, die Gruppe hat auch gemerkt, dass wir nicht ganz auf einer Wellenlänge sind.“

Paul legt nach: „Mir ist sowas auch mal passiert. Ich hab das dann in der Pause angesprochen. Seither versuche ich vorher genauer die Arbeitsweisen abzuklären und welche Art von Vorbereitung ich erwarte. Das macht zwar manchmal bei der Vorbesprechung einen strengen Eindruck, aber es ist mir lieber, als dann während dem Seminar drauf zu kommen, das was nicht passt.“ Rudi hebt die Hand: „Mir ist ein Co-Trainer mal kurzfristig erkrankt und ausgefallen. Seither verlange ich geplante Inputs vorab schriftlich, damit ich mir im Fall des Falles beim Improvisieren nicht ganz so schwer tue.“

Notfallplan:
– Arbeitsweisen und Erwartungen im Vorfeld absprechen.
– Defizite während des Seminars ausgleichen.
– Unzufriedenheit zeitnah ansprechen.
– Inputs vorab verschriftlicht zur Verfügung haben.

Im Raum kann nicht gearbeitet werden

Alle kennen Geschichten von Seminarräumen, die sich – trotz Abklärung und Zusicherung –  als KEINE Seminarräume entpuppten: umfunktionierte Wirtsstuben, „freie“ Gästezimmer, in deren Mitte improvisiert ein paar Sessel stehen, „duftende“ Partykeller ohne Flipchart und ohne Möglichkeit, an den Wänden etwas aufzuhängen, intensive Lärm- und Geruchsbelästigung durch Baustellen vorm Fenster oder die gleich nebenan liegende Küche/Wirtsstube, in der gearbeitet wird,…. Es gib beinahe unzählige Beispiele. Die fünf Kolleg*innen überbieten sich mit immer absurderen Erlebnissen. Im Endeffekt kommen sie aber auf ähnliche Lösungen: Manchmal hatten sie keine Wahl, als die Gegebenheiten achselzuckend hinzunehmen und sich zu bemühen, damit möglichst konstruktiv umzugehen. Ein anderes Mal war ein Raumwechsel oder das Arbeiten im Freien möglich oder das Setting wurde so verändert – bspw. häufiger Kleingruppen als Plenum – wie es die räumlichen Möglichkeiten nahe legten.

Nofallplan:
– Akzeptieren und das Beste daraus machen.
– Raum wechseln.
– Im Freien arbeiten.
– Setting anpassen, bspw. Kleingruppen, Triaden, Dyaden, Einzelarbeit, Talking by Walking, etc.

Einzelne Personen sind irritierend

Bezogen auf Irritationen durch einzelne Teilnehmer*innen sind die Erfahrungen von Paul, Beate, Yasemine, Rudi und Maria recht unterschiedlich: Yasemine erzählt von einer Teilnehmerin, mit der sie eine persönliche, etwas vorbelastete Geschichte hatte. Paul beschreibt einen Teilnehmer, der offenbar betrunken ins Seminar gekommen und einfach nicht arbeitsfähig war. Maria hatte einmal einen Teilnehmer, der durch seine bloße Anwesenheit die Atmosphäre im Raum völlig zum Kippen gebracht und alle anderen permanent irritiert hatte. Rudi erzählte von einer Teilnehmerin, die seine Leitungskompetenz nicht und nicht anerkennen wollte, was in einem steten Hinterfragen aller seiner Vorschläge und Arbeitsaufträge sichtbar wurde. Beate berichtet von einem Teilnehmer, der seine Verdauung nicht ganz unter Kontrolle und unangenehme Gerüche entwickelt hatte.

Die anderen verziehen das Gesicht. Beate lacht: „Ja, im ersten Moment war ich ziemlich überfordert. Dann hab einfach eine Pause vorgeschlagen. Alle waren froh über die Fluchtmöglichkeit.“ Die Pause wird zum klaren Favoriten der Notfallpläne gewählt. Andere Strategien, die ausgetauscht werden, reichen von der Aufforderung das Seminar zu verlassen über das Ansprechen der Irritation gegenüber der betreffenden Person bis hin dazu, die irritierende Person so gut wie möglich zu ignorieren und einfach weiter zu machen.

Notfallplan:
– Pause machen!
– Person bzw. das irritierende Verhalten ignorieren.
– Irritation ansprechen (vor der Gruppe oder im Einzelgespräch).
– Auffordern, den Raum zu verlassen.

Vorbereitete Technik versagt völlig

Rudi erzählt von einem Erlebnis bei einem Online-Seminar, wo im strategisch ungünstigsten Moment die Technik versagt hatte. Beate zuckt die Achseln: „Bei Präsenz-Seminaren habe ich alle Folien von einer Präsentation zusätzlich ausgedruckt mit. So kann ich im Technik-Notfall auch ohne Laptop und Beamer vortragen und dabei sogar kleinere Visualisierungen am Flipchart machen. Aber online…“ sie blickt etwas ratlos in die Runde. Rudi meint: „Naja, online ist man dann halt einfach nicht da, wenn die Verbindung wegfällt. Da kann man dann schlecht improvisieren. Ich hab mir da eine Taktik zurecht gelegt: Ich vereinbare mit den Gruppen vorab immer, was das Ausfallsmedium ist. Wenn beispielsweise nichts mehr funktioniert und wir uns online nicht mehr sehen/hören, dann bekommt die Gruppe von mir ein E-Mail oder ein SMS. Ich mach quasi einen alternativen Treffpunkt aus, wo wir dann das weitere Vorgehen planen können.“

Notfallplan:
– Alternatives Medium wählen (Flipchart statt PowerPoint, E-Mail statt Online-Raum)

Jemand aus der Gruppe überschreitet verbal Grenzen

Was macht ihr eigentlich, wenn ihr jemanden in der Gruppe habt, der echt unpassende Sachen sagt, sexistisch ist oder rassistische Bemerkungen macht?“

tippt Maria ihre Frage in den Chat. Yasmine meldet sich dazu: „Da bin ich dann voll in meinem Element!“ Sie strahlt in die Kamera. „Ich finde das ist dann oft ein guter Aufhänger, um über die Gruppe und ihre Dynamiken zu reden. Ich bin fast froh, wenn ich so eine polarisierende Person im Seminar habe. Es ist dann zwar emotional oft etwas geladen, dafür geht dann auf der Gruppenebene ordentlich was weiter. Ich schau zwar, dass ich das Thema ein bisschen von der Person wegbekomme, um Stigmatisierungen zu vermeiden, aber für eine Diskussion über Normen und Werte in der Gruppe ist sowas fast ein Geschenk.“ Paul ergänzt, dass er bei Seminaren, die den Fokus auf fachlichen Input haben, in solchen Fällen oft seine Autorität als Trainer ausspielt und feststellt, dass solche Debatten/Aussagen am Thema vorbei gehen und hier nichts verloren haben.

Notfallplan:
–  Grenzüberschreitung aufgreifen und für die Gruppe nutzbar machen.
– Mit der Autorität der Leitung abwehren.

Wunderwuzzis sind wie Diät-Drinks

Yasemine schaut auf die Uhr. „Ok. Wir haben noch Zeit für ein Beispiel, dann ist unser vereinbartes Zeitfenster zu.“ Die Gruppe hat sich für die Onlinetreffen ein Zeitlimit gesetzt. Weil die Treffen per se mehr Aufmerksamkeit erfordern, soll so eine Überlastung vermieden werden. Maria meldet sich noch mal: „Ich hab die Erfahrung gemacht, dass manchmal Gruppen andere Erwartungen an mich oder das Seminar haben, als ich leisten kann. Zum Beispiel glauben sie, dass ich beim Thema Konfliktmanagement ihre Konflikte alle zum Verschwinden bringe.“

Paul will etwas ergänzen: „… Sie glauben auch, dass ich ihre Fachbegriffe alle kenne, oder mit ihren Abläufen vertraut bin.“ Rudi ergänzt ohne sich zu Wort zu melden: „Ich hab das Gefühl, sie halten uns manchmal für Wunderwuzzis und sind dann enttäuscht, wenn sie selber viel zu den Themen beitragen müssen. Wir sind ja oft nur in der Rolle der Facilitator*innen – der Ermöglicher*innen.“

Die anderen nicken. Auch dieses Thema ist allen bekannt. Beate hebt die Hand: „Ich spreche das meistens einfach an. Ich weiß, das klingt jetzt voll banal, aber die Leute wissen insgeheim, dass Konflikte nicht einfach so verschwinden, sonst wäre das ja schon passiert. Das ist wie bei Diät-Drinks: wir glauben gern dran, das es funktioniert, aber insgeheim vermuten wir schon, dass es zu gut klingt, um wirklich wahr zu sein.“ Die anderen lachen. Der Vergleich ist wirklich passend. Maria meint: „Das muss ich mir merken, nächstes Mal, wenn die Gruppe mich mit so überhöhten Anforderungen konfrontiert, dann bring ich ihnen das als Beispiel.“

Notfallplan:
– Metaphern finden.
– Rolle klar machen.

Wünsche für 2021

Die Konzentration neigt sich langsam dem Ende zu und die Fünf vereinbaren noch ein Treffen zu Beginn des neuen Jahres. Am Ende fordert Yasemine dazu auf, sich einen Gegenstand in Griffweite auszusuchen, der einen Wunsch für 2021 gut repräsentiert. Reihum hält jede*r den Gegenstand kurz in die Kamera und sagt einen Satz dazu. Nach diesem schönen und positiven Ausblick ins nächste Jahr verabschieden sich die Expert*innen für heuer. Schöne Feiertage!

Es handelt sich bei allen angeführten Beispielen um wahre Begebenheiten aus dem Seminaralltag, die von uns gesammelt wurden.

Autorinnen: Gerda Kolb und Irene Zavarsky

#grumo_15: Wie steige ich in einen bereits laufenden Gruppenprozess ein?

Lange haben unsere fünf Expert*innen für die Arbeit mit Gruppen hin und her überlegt, ob das schon vor Monaten vereinbarte Treffen tatsächlich stattfinden soll oder ob sie mal eine Pause einlegen wollen. Der Grund dafür: Alle fünf haben schon seit Längerem mit keinen Gruppen mehr im selben Raum gearbeitet. Alles Online!

„Schon alleine, dass ich jetzt immer dazu sagen muss, ob Präsenz oder Online, damit man sich auskennt, nervt mich total!“, wettert Maria in die Runde. Es hatte sich schlussendlich heraus gestellt, dass die Kolleg*innen den Kontakt miteinander und ihre Treffen nicht missen wollen. Vorab wurden aber – über E-Mail – zwei Dinge vereinbart, die für diesen Termin und bis auf weiteres auch für alle folgenden (Online-)Treffen gelten:
1. Analog zu den Treffen in Lokalen wird jedes Mal eine andere Plattform genutzt, die von einer Person vorgeschlagen und vorher ausprobiert wird.
2. Die Zeit in der über Corona, Homeoffice, Online-Arbeitstreffen und Co gesprochen wird, ist limitiert auf maximal eine halbe Stunde zu Beginn der Treffen.

Paul hat die Kolleg*innen in „seinen“ Raum auf wonder.me eingeladen. Dafür hat er ihnen einen Gastlink geschickt und nun wandern sie in Form von kleinen Kreisen durch den Raum. Zum Ausprobieren führen sie auch Gespräche zu zweit oder zu dritt, was auf dieser Plattform möglich ist, selbst wenn sich alle im selben virtuellen Raum befinden. „Ich bin dafür, dass wir jetzt wieder zusammenkommen“, verlautbart Paul und die Zwiegespräche werden beendet. Bei Rudi klappt es leider nicht so gut, seine Internetverbindung scheint der Datenfülle nicht gewachsen zu sein. Er schreibt in den Chat „Ich schalte Kamera und Mikro erstmal aus und schaue, ob ich zumindest zuhören kann. Wenn ich etwas sagen möchte, schreibe ich es hier im Chat. Okay?“. Die anderen sind einverstanden, obwohl allen, inklusive Rudi, klar ist, dass das keine optimale Lösung ist.

In die Gruppe platzen

„Was war bisher euer schlimmstes Erlebnis, wenn ihr mit Gruppen gearbeitet habt, die schon mitten in einem Gruppenprozess waren?“, leitet Beate ins heutige Thema ein. „Du meinst Lehrgangsgruppen und so, oder?“, fragt Maria nach und bekommt als Antwort, dass es nicht um Teams geht, die ohnehin viel Zeit miteinander verbringen, sondern, wie vermutet, um Gruppen, die beispielsweise im Rahmen von Aus- und Weiterbildung über einen gewissen Zeitraum eine Gemeinschaft bilden und wo gruppendynamische Prozesse häufig stark zu beobachten und zu spüren sind.

„Da muss ich euch unbedingt was erzählen! Ich hatte zu Herbstbeginn einen Workshop mit einer Lehrgangsgruppe und es ist wirklich nicht gut gelaufen! Ich weiß nicht genau, was passiert ist, aber von Anfang an hatte ich das Gefühl, nicht da hinzugehören. Das hat mich total verunsichert und aus dem Konzept gebracht. Ich glaube, so schlecht war ich noch nie! Ich hab schon Bauchweh, wenn ich daran denke, was die Teilnehmer*innen über mich zurückgemeldet haben… Den Auftrag kriege ich nie wieder!“, erzählt Paul so aufgeregt, dass er gebeten wird, den Abstand zum Mikro ein wenig zu vergrößern. Durch die Aufregung hat er manche Buchstaben sehr betont und das erzeugt hässliche Geräusche über das Mikrofon. In weiterer Folge erfahren die Kolleg*innen ein paar Details von Paul und auch Maria und Rudi berichten von ähnlichen Erfahrungen, wenn sie in Gruppenprozesse „reingeplatzt“ sind, zumindest hat es sich manchmal genau so angefühlt.

Die Gruppe retten

Auch Yasemine teilt eine Erfahrung, die sich allerdings deutlich unterscheidet: „Wie ich in den letzten Tagen an unser Treffen gedacht hab‘, ist mir eine Geschichte untergekommen, die schon einige Jahre zurückliegt. Das war auch sehr schräg! Einige der Teilnehmer*innen schienen mir schon nach der Hälfte vom Vormittag zu Füßen zu liegen und das verstärkte sich noch im Laufe der zwei Tage, die wir gemeinsam gearbeitet haben. Ich fand zwar auch, dass ich meine Sache gut machte, aber die Reaktionen kamen mir völlig übertrieben vor und verunsicherten mich, weil ich mir nicht erklären konnte, wodurch sie ausgelöst wurden. Im Nachhinein, erfuhr ich einige Dinge, die mir seither als Erklärung dienen, auch wenn das nur Hypothesen sind.“ Rudi ist neugierig geworden und schreibt im Chat, dass er gerne mehr darüber wissen will, was Yasemine im Nachhinein erfahren hat. Um Rudis Teilnahme ein wenig gleichberechtigter zu gestalten, schreibt Yasemine ihre Antwort ebenfalls in den Chat und für die nächsten Minuten findet der Austausch ausschließlich dort statt.

Im Chat

Yasemine schreibt: Ich habe erfahren, dass die Kolleg*innen, die die ersten beiden Module des Lehrgangs gestaltet hatten, eine völlig andere Arbeitsweise hatten. Die Teilnehmer*innen hatten sie als ziemlich autoritär erlebt. Es hatte bisher keinen Raum gegeben, die Bedürfnisse und Erwartungen der Teilnehmer*innen zu besprechen. Außerdem wurde viel bewertet und die Angst, nicht gut genug zu sein, hatte sich in der Gruppe ausgebreitet. Obwohl „mein“ Modul schon das dritte war, hatte es noch kein Treffen mit der Lehrgangsleitung gegeben. Das hätte zu Beginn stattfinden sollen, für einen ganzen Tag, und wurde auf Grund der kurzfristigen Erkrankung der Lehrgangsleitung ersatzlos gestrichen. Man hatte angenommen, dass sich die Teilnehmer*innen bei Fragen und Schwierigkeiten schon melden würden und das ein persönliches Kennenlernen im Rahmen von Modul 4 ausreichend wäre.

Rudi schreibt: Ah, da wird mir jetzt auch einiges klarer. Die haben dich irgendwie als Retterin wahrgenommen, oder? Dass der Lehrgang vielleicht doch in einer anderen Atmosphäre und mit einer wertschätzenderen Haltung weitergeht, als die ersten beiden Erfahrungen das vermuten haben lassen. Stimmt’s?

Yasemine: Ja, so ungefähr! Ich steig wieder auf reden um, okay? Das tippen strengt mich an… Sorry! 🙂

Rudi: No prob! 🙂

Auf Grundlage der unterschiedlichen Erfahrungsbeispiele die eingebracht wurden, tragen die fünf Expert*innen nun Punkte zusammen, die sie als wichtig erachten, wenn sie als Referent*in oder Trainer*in in schon laufende Gruppenprozesse einsteigen. Rudi hatte sich bereit erklärt, die wichtigsten Punkte zu protokollieren und mit den anderen zu teilen:

  • Übergaben: Bereits beim Vorgespräch mit der Lehrgangsleitung bzw. den Auftraggeber*innen klären, welche Möglichkeiten der Übergabe es gibt. Häufig geschieht dies durch die Lehrgangsleitung, die in der Kommunikation mit den Trainer*innen ein Bindeglied ist. Auch ein direkter Austausch mit den Kolleg*innen von davor und danach ist sinnvoll. Wichtig dabei ist, darauf zu achten, dass man nicht „zu viele“ Infos bekommt. Daher: Vorab überlegen, welche Infos ich haben möchte bzw. nur die Infos weiter geben, die gewünscht sich. Die Trainer*innen, die als nächstes dran sind, entscheiden, welche Infos wichtig sind.
  • Interesse für Vorgeschichte: Am Beginn der Zusammenarbeit ist es hilfreich, die Teilnehmer*innen auch selbst berichten zu lassen, was davor war. Das hat mehrere Funktionen: Es entsteht auch ein Bild aus der Perspektive der Teilnehmer*innen. Ich zeige Interesse (= Wertschätzung) sowohl für das, was bereits war, als auch für die Perspektive der Teilnehmer*innen. Außerdem bekomme ich einen guten Einblick in die Gruppenatmosphäre während des Erzähl-Vorganges.
  • Klarheit über die Rolle: Wie immer ist auch hier hilfreich: Klarheit haben über die eigene Rolle. In diesem Fall eher Besucher*in, was den Gruppenprozess angeht. Metaphorisch gesprochen: Besucher*innen verändern normalerweise nicht die Einrichtung oder bestimmen, wann gegessen wird, Anpassung an bereits vereinbarte Regeln ist erwünscht. Gleichzeitig können natürlich auch Speisen höflich abgelehnt und Gesprächsthemen (mit-)ausgewählt werden.
  • Wertschätzung für andere Stile & Schwerpunkte: Es ist wichtig, die Art und Weise, wie andere Trainer*innen und Referent*innen „ihren“ Teil gestalten, stehen lassen zu können. Vorsicht bei negativen Bewertungen vor der Gruppe á la „Was? So hätte ich das nie gemacht!“ oder „Das war noch kein Thema bei euch? Das ist ja total fahrlässig!“. Nochmal überlegen, was es genau ist, das emotional so berührt und dann entscheiden, welche Reaktion darauf für die Gruppe und den Gruppenprozess hilfreich und sinnvoll ist. Irritationen können vielleicht auch direkt an die Kolleg*innen oder an die Lehrgangsleitung rückgemeldet werden.
  • Arbeitsfähigkeit hat Vorrang: Es kann durchaus passieren, dass eine Gruppe mit dem vorangegangenen Seminar oder Workshop noch nicht „fertig“ ist und noch Zeit braucht, um Dinge zu besprechen. Es ist gut, dafür Zeit zur Verfügung zu stellen, damit die Teilnehmer*innen sich danach gut in das neue Thema/Modul einfinden können. Manchmal reicht es auch, nur kurz gemeinsam zu schauen, was es braucht und dafür einen Platz zu finden. Besser nicht einfach darüber hinweg gehen und in der Vorbereitung dafür Zeit einplanen sowie aktiv nachfragen, ob noch was über ist vom letzten Mal.

„Wow, das ist ja fantastisch!“, ruft Beate, nachdem sie auf den Link geklickt hat, den Rudi grade in den Chat kopiert hat. Er hatte nämlich während des Austausches gleich auf einer digitalen Pinnwand, namens padlet, mitgeschrieben und so steht sein Protokoll quasi in Echtzeit allen Kolleg*innen zur Verfügung. „Obwohl ich anfangs skeptisch war, bin ich froh, dass du dageblieben bist, trotz der technischen Schwierigkeiten“, meint Paul an Rudi gewandt und fügt noch hinzu: “Hat sich voll ausgezahlt, finde ich. Ich hoffe auch für dich!“. Rudi bejaht die Frage und schreibt weiters, dass er es mit der ganzen Technik in den letzten Monaten schon gewohnt ist, auf „Notfälle“ zu reagieren und auch viel dazu gelernt hat. „Dann lasst das doch gleich das Thema für unser nächstes Treffen sein: Was sind gute Notfallpläne, wenn ich einmal gar nicht weiter weiß?“, schlägt Maria vor. Alle sind einverstanden und verabschieden sich nach und nach aus dem virtuellen Raum.

Autorinnen: Gerda Kolb und Irene Zavarsky

#grumo_14: Erlebnisorientiertes Arbeiten – andere Räume, andere Settings

Klettern, Wandern, Töpfern, Kochen, Bogenschießen … andere Settings bringen andere Erfahrungen zu Tage. Im geeigneten Kontext lassen sich daraus gute Reflexionsgrundlagen schaffen. Heute unterhalten sich unsere fünf Expert*innen über ihre Erfahrungen mit erlebnisorientiertem Arbeiten.

Unsere Gruppensuppe

„Ich will heute von den außergewöhnlichsten Methoden hören, die ihr jemals mit einer Gruppe ausprobiert habt.“ Beate richtet ihre Kamera gerade. Die Gruppe trifft sich heute wieder mal online. Nachdem alle mittlerweile viel Erfahrung mit Online-Meetings haben, klappt das schon recht reibungslos. Paul meldet sich gleich als erster zu Wort. Er erzählt von einem Auftrag, wo er eine recht zerstrittene und neu zusammengewürfelte Abteilung zum Teambuilding begleiten sollte. In der Vorbesprechung ist klar geworden, dass die Gruppe sehr gut ist im „so tun, als ob alles in Ordnung wäre“, die Konflikte brodelten eher unter der Oberfläche. „Ich hatte den Eindruck, dass ich da mit konventionellen Methoden nicht rankomme, also hab‘ ich ein Kochstudio gemietet und hab‘ der Gruppe den Auftrag gegeben, völlig selbstorganisiert – von der Menüauswahl über’s Einkaufen bis zur Zubereitung – ein dreigängiges Mittagessen zu kochen.“ Paul lacht und meint, dass das Team zwar gemault hätte, was das jetzt mit ihrer Arbeit zu tun hätte, aber sich dann doch drangemacht hat.

Im Laufe des Vormittags sind Kommunikationsmuster sichtbar geworden und Konfliktlinien aufgebrochen. Alltägliche Gegebenheiten á la „Wer bekommt welche Herdplatte? Wird die Kürbiscremesuppe püriert oder nicht?“ dienten am Nachmittag zum gemeinsamen Reflektieren. Außerdem hatten alle das Gefühl, etwas gemeinsam geschafft zu haben und waren nun durch ein richtiges Erfolgserlebnis miteinander verbunden. „Und so Koch-Methaphern sind ideal, um Gruppenprozesse zu beschreiben“, richtet der grinsende Paul abschließend in die Kamera.

Klettergarten und Schnitzeljagd

Beate schließt gleich an und erzählt von zwei unterschiedlichen Seminaren, die sie zum Thema „Gruppen leiten“ gehalten hat. Beim einen war sie mit der Gruppe in einem Klettergarten, beim anderen hat sie eine Schnitzeljagd organisiert. Bei beiden Settings konnten jeweils mehrere Leute ausprobieren, die Gruppe durch den Parkour zu leiten beziehungsweise die nächsten Stationen anzuvisieren. „War das nicht furchtbar aufwändig?“, meldet sich Yasemine dazwischen. „Schon,“ meint Beate, „bei der Schnitzeljagd habe ich die Vorbereitungszeit enorm unterschätzt. Du kannst ja dann nicht an jeder einzelnen Stationen präsent sein. Das heißt, es muss alles halbwegs selbsterklärend funktionieren.“ Beim Klettergarten war das einfacher, da waren alle die ganze Zeit an einem Ort. „Da ist halt die Frage, ob klettern für alle geht. Leute mit Höhenangst oder Beeinträchtigungen kommen da nicht so gut mit. Außerdem ist es gut, einen Profi dabei zu haben. Ich hab‘ das mit einem Kollegen gemacht, der eine Ausbildung zum Outdoortrainer hat. Allein hätte ich mir das nicht zugetraut.“

Eine Vase töpfern

„Ich hab mein Seminar damals auch mit professioneller Unterstützung gemacht“, hakt Yasemine gleich ein. „Ich hab‘ einen Töpferkurs gebucht. Der Auftrag an die einzelnen Teilnehmer*innen war, eine Vase mit einer Töpferscheibe zu töpfern. Wir hatten den Ton überall! In den Haaren, auf den Kleidern, nur nicht an der Vase…“. Auf drängenden Wunsch der anderen hält Yasemine die damals von ihr getöpferte Vase ins Bild. Rudi fragt nach, „Was war das Thema vom Seminar?“. Yasemine stellt die Vase wieder weg. „Umgang mit Stress, Frust und Misserfolgen. Deswegen habe ich etwas gewählt, das zwar leicht machbar ist, aber viel Übung braucht, bis es gut funktioniert. Dem Team ging es damals darum, dass sie zwar viele Projekte umsetzen, aber nie ganz zufrieden mit den Ergebnissen waren.

Wir haben dann in der Reflexion viel mit ausgesprochenen und unausgesprochenen Zielen und Wünschen, Erwartungen und Erwartungserwartungen gearbeitet. Das hat gut funktioniert und die Teilnehmer*innen hatten, durch die Erfahrung vom Töpferkurs, konkrete Erlebnisse, die leicht benennbar waren, aber nicht aus dem Arbeitskontext stammten. Unsicherheiten im Arbeitskontext zu benennen stellt für Teammitglieder oft ein großes Risiko dar, vor allem gegenüber der Führungskraft und den Kolleg*innen. Über eine unperfekt getöpferte Vase als „Fehlschlag“ zu sprechen, ist weit weniger riskant.“

Der „Zauberstab“. Eine beliebte Mini-Methode für ein rasches gemeinsames Erlebnis.

Kampfsport und Umgang mit Konflikten

Maria erzählt, dass sie während eines Seminars zu Konfliktmanagement eine Einheit mit Kampfsport-Techniken verbracht hat. Paul lacht, „Wie? Du meinst, du lernst dann gleich, wie man dem Gegenüber eins auf die Nase haut?“. Maria verdreht die Augen, sie geht schon seit Jahren boxen und jedes mal, wenn sie erzählt, dass sie Trainings für Konfliktmanagement macht, kommt dieser Satz. Sie seufzt: „Nein. Natürlich nicht. Kampfsport ist viel mehr als den Leuten doof eins auf die Nase zu hauen.“ Man braucht gute Technik, Gelassenheit, Konzentration und Ausdauer, Stressresistenz und schnelle Analysen von Situationen, um rasch und richtig reagieren zu können, erklärt sie weiter. „Wenn du wie eine Dampfwalze mit Wut auf deine*n Trainingspartner*in zuläufst, dann ist es für eine erfahrene*n Kampfsportler*in ein Kinderspiel dir Konter zu geben.

Dasselbe gilt für Verhandlungen, Diskussionen oder Konflikte: Unreflektiertes, emotionsgeladenes Drauflos-Poltern hat noch selten produktive Lösungen zu Stande gebracht. Wenn man das im Kampfsport auf einer körperlichen Ebene mal erfahren hat, dann fällt die Übersetzung in den Arbeitsalltag viel leichter.“ Paul nickt ein bisschen beschämt, „Ok, wenn du es so erklärst, dann seh‘ ich da einige Zusammenhänge. Tut mir leid, dass ich dir da vorher einfach meine Vorurteile übergestülpt habe.“ Maria lacht, „Kein Problem. Wenn’s mir zu viel wird, kann ich dir ja immer noch auf die Nase hauen“. Paul sieht kurz so aus, als ob er sehr froh wäre, dass das Treffen heute online stattfindet, stimmt dann aber in Marias Lachen mit ein.

Talking by Walking

„Rudi, du hast noch nichts erzählt“, sagt Beate und schaut ihn dabei gespannt an. Rudi lächelt ein wenig verlegen. „Ich mach gar nicht so außergewöhnliche Dinge. Das einzige, das mir dazu einfällt, ist, ein Einzelcoaching mit einer Führungskraft. Wir sind im Gespräch draufgekommen, dass wir beide gerne wandern. Sie konnte sich in den Einheiten schwer auf das Hier und Jetzt konzentrieren und war mit ihren Gedanken oft woanders.

Also hab ich ihr vorgeschlagen, eine Doppelstunde im Wandern zu absolvieren. Das hat wunderbar geklappt! Das Gehen ist eine Tätigkeit, die ihr erlaubt hat, ihre Gedanken auf unser Gespräch zu fokussieren.“ Rudi zuckt die Achseln und meint, dass er das mit dieser Klientin nun in regelmäßigen Abständen macht. Die anderen schauen Rudi ein bisschen verständnislos an und meinen fast unisono, dass sie das außergewöhnlich genug finden.

Bogenschießen

Wo nun so viel über gemeinsame Aktivitäten gesprochen wurde, beschließen unsere fünf Expert*innen selber einmal Außergewöhnliches zu wagen. Nach ein bisschen hin und her einigen sie sich auf Bogenschießen. Das ist nicht zu sportlich, ist an der frischen Luft und alle haben gleich wenig Erfahrung damit. „Aber wir müssen dann auch reflektieren im Anschluss“, meint Yasemine. Alle nicken zustimmend. „Klar“, meint Paul, „wenn ich das mal mit euch ausprobiert habe, dann mach ich vielleicht das nächste Mal keine Gruppensuppe, sondern hab‘ noch einen anderen Pfeil im Köcher.“ Rudi lacht, „Ja, und gleich wieder viele nette Metaphern, um einen Prozess zu beschreiben…“

Die fünf verabschieden sich nach und nach, aber nicht ohne vorher ein Thema fürs nächste Mal vereinbart zu haben. Sie wollen die Herausforderungen für Trainer*innen diskutieren, wenn diese in einen laufenden Gruppenprozess einsteigen.

Autorinnen: Gerda Kolb und Irene Zavarsky

#grumo_13: Visualisierungen, die den Prozess unterstützen

Unsere fünf Expert*innen treffen sich heute bei Rudi in der Praxis. Die schnellen Veränderungen und teilweise Unklarheit, was gerade wo wie erlaubt ist, haben Maria, Yasemine, Rudi, Paul und Beate ein wenig verunsichert. Deswegen haben sich alle gefreut, als Rudi vorschlug, sich bei ihm zu treffen. Im Sesselkreis sitzend und mit Getränken und Knabbereien versorgt, kommen sie ins Gespräch.

Free-, Post- und andere Karten

„Hier arbeitest du also meistens?“, fragt Beate an Rudi gewandt. Dieser nickt bestätigend und erläutert die Settings – Gruppentherapie, Coaching und Teamsupervision – für die er meistens diesen Raum nutzt. „Ja und manchmal finden hier auch Klausuren von kleineren Teams statt, so wie gestern. Hier steht ja noch die Schachtel mit den Freecards“, sagt Rudi und deutet in die Ecke neben dem Flipchart. Freecards sind Postkarten mit unterschiedlichsten Themen, die zu Werbezwecken in Lokalen und an Veranstaltungsorten aufliegen. Nachdem unsere Protagonist*innen dieses Mal ohnehin über die Möglichkeiten von Visualisierungen in der Arbeit mit Gruppen sprechen wollten, führt Rudi gleich weiter aus: „Seit Jahren schon sammle ich diese Karten und so ist ein gewisser Kartenfundus entstanden, den ich gerne zur Unterstützung von Kennenlernrunden oder auch zum Einstieg in ein Thema verwende. Meist treffe ich eine Vorauswahl, je nach Gruppe/Gruppenkultur und Gruppengröße. Ich lege die Karten auf einen Tisch oder ein Tuch am Boden und bitte alle Teilnehmer*innen, sich eine Karte auszusuchen.“

„Diese Aufforderung ist begleitet von unterschiedlichen Hinweisen, je nach Ziel der Intervention. Wenn es ums Ankommen oder Kennenlernen geht, fordere ich beispielsweise dazu auf, eine Karte zu nehmen, die ‚dich gerade anspricht‘ oder die ‚für eine Erwartung von dir steht‘. Als Einstieg für die Bearbeitung eines bestimmten Themas passen wiederum Fragen wie ‚Nimm eine Karte, die zu dem Gefühl passt, das du bei diesem Thema hast‘ oder ‚Die Karte soll illustrieren, welchen Stellenwert das Thema für dich hat‘. Die Frage soll geeignet sein, auf die Beschäftigung mit dem Thema hinzuführen.“

Momentan bitte ich die Teilnehmer*innen, sich vorher die Hände zu desinfizieren und nacheinander zum Kartentisch zu treten. Das ist zwar viel weniger dynamisch, als wenn alle zeitgleich ihre Auswahl treffen, hat aber die Qualität, dass jede Person kurz mal im Fokus steht und das Tempo eher gedrosselt wird. Sonst können die Karten auch auf mehrere Tische aufgeteilt werden.“ „Und was passiert dann damit?“, fragt Paul. „Wenn alle eine Karte gefunden haben, sitzen alle wieder im Sesselkreis und die Teilnehmer*innen stellen reihum ihre Karten vor. Beim Kennenlernen bitte ich darum, den Namen zu sagen, die Karte herzuzeigen und zu beschreiben und zu erzählen, warum gerade diese Karte ausgesucht wurde“, antwortet Rudi. Neben diesen kostenlosen Karten gibt es eine große Vielfalt an Bildkarten, die speziell für den Trainingsbereich konzipiert wurden.

Wir lieben Flips!

„Mir waren meine Flips oft so peinlich! Trotzdem hat es viele Jahre Vorsatz gebraucht, bis ich endlich an einem Workshop teilgenommen habe, in dem ich gelernt habe, meine Flips besser zu gestalten. Und ich finde es hat sich ausgezahlt!“, berichtet Yasemine mit einem Blick auf das Flipchart und einem gewissen Stolz in der Stimme. Rudis Frage, „Aber ist das nicht einfach eine Übungssache?“ wird von Yasemine eindeutig mit ja beantwortet, „aber das Üben ist wesentlich effektiver, wenn ich weiß, worauf ich achten soll. Und auch die vielen Tipps und Tricks, die ich beim Workshop gelernt habe, waren nicht nur hilfreich, sondern es macht mir seitdem auch mehr Spaß, Flips vorzubereiten.“

Sie erzählte weiter, dass es viel Aufwand ist und die vorbereiten Flips auch schöner sind, als die, die während eines Workshops entstehen. „Aber es ist ein zusätzlicher Effekt eingetreten: Meist bereite ich die ersten Flips – zur Begrüßung, Zeitplan, Themen, Arbeitsaufträge – in den Tagen vor der Veranstaltung vor. Ich nehme mir dazu rund zwei Stunden Zeit und schaffe mir eine störungsfreie Atmosphäre. In dieser Zeit gestalte ich nicht nur die Flips, sondern tauche auch inhaltlich und atmosphärisch in die Situation ein, die mich erwartet. Dabei spüre ich auch ganz gut, wenn etwas in meiner Vorbereitung noch fehlt oder doch nicht so gut passt, wie angenommen.

Yasemine fügt noch hinzu, dass die Entscheidung, mit welchen Farben und in welchem Stil die Flips für die jeweilige Veranstaltung gehalten sein sollen und auch das Flip schreiben, währenddessen deutlich erleichtert. Außerdem gebe es immer wieder positive Rückmeldungen von Teilnehmer*innen, für die es auch Wertschätzung ausdrückt, wenn sich jemand die Arbeit antut. Ganz zu schweigen von der Wahrscheinlichkeit, dass das Fotoprotokoll, das zum Großteil aus abfotografierten Flips besteht, tatsächlich angeschaut wird.

Paul hat auch noch eine Ergänzung: „Auf der REFAK gibt es regelmäßig das Seminar Ein Bild sagt mehr als tausend Wortebei dem es auch um Flipchartgestaltung geht. Nachdem das Seminar immer sehr schnell ausgebucht ist, ist sogar eine Blogreihe dazu gestartet worden, der #visdo, der mittlerweile über 30 Beiträge mit Anleitungen zum Ausprobieren beinhaltet.

Aufstellungen

Kurz diskutieren die fünf, ob es sich bei einer Aufstellung auch um eine Visualisierung handelt. Beate argumentiert so: „Wenn ich mit einer Gruppe Aufstellungen mache, sage ich oft, dass damit etwas sichtbar werden soll. Daher würde ich schon sagen, dass es sich um eine Visualisierung handelt.“ Das klingt auch für die anderen stimmig und Maria fordert Beate dazu auf, den Einsatz der Methode an einem konkreten Beispiel zu beschreiben. „Ich mache sehr häufig Aufstellungen, grade wenn ich mit Gruppen oder Teams arbeite, die künftig auch intensiv zusammenarbeiten sollen. Ich bin davon überzeugt, dass Zusammenarbeit besser gelingt, wenn die einzelnen Leute über Gemeinsamkeiten und Unterschiede in der Gruppe Bescheid wissen. Außerdem wird so auch gesetzt, dass beides – Gemeinsamkeiten UND Unterschiede – Platz haben und wichtig und legitim sind.“ Maria ist heute ein wenig ungeduldig und fragt: „Und was machst du konkret?“ Rudi unterstützt die Konkretisierung mit dem Vorschlag, die Methode doch hier und jetzt anzuwenden. Kurz sind die Kolleg*innen erstaunt, gleichzeitig aber auch neugierig darauf, ihr Treffen auch zum Ausprobieren von Methoden zu nutzen.

Maria ist einverstanden die Übung anzuleiten, möchte aber gleichzeitig auch mitmachen. Das würde sie in einem professionellen Setting zwar nie machen, aber in diesem Rahmen hält sie das für machbar und formuliert folgenden Auftrag: Jede Person soll sich ein Kriterium für Gemeinsamkeiten und Unterschiede überlegen, die in ihrer Gruppe relevant sein könnten und dieses Kriterium aufschreiben. „Wie meinst du das genau?“, fragt Paul. „Wenn wir beispielsweise eine Gruppe von Schuster*innen oder Schuhverkäufer*innen wären, könnten unsere Schuhgroßen relevant sein. Nachdem wir aber andere berufliche Hintergründe haben, und unsere Treffen ja auch bestimmte Ziele verfolgen, sind wahrscheinlich andere Dinge relevanter, wie beispielsweise, wie viel Erfahrung wir in der Arbeit mit Gruppen haben oder Ähnliches.“ „Ja klar“, stößt Paul aus, „oder auch wie wichtig uns der Austausch miteinander ist!“

Angeregt überlegt jede*r für sich und schreibt ein Kriterium auf einen Zettel. Als Beate die Zettel durchliest, fällt ihr auf, dass zwei Mal dasselbe Kriterium aufgeschrieben wurde. „Das kommt fast immer vor und deshalb ist es wichtig, das einzukalkulieren. Wenn nicht ganz klar ist, was gemeint ist – z.B. hat eine Gruppe Erfahrung aufgeschrieben – klären wir noch mal gemeinsam, um was es konkret geht, also Lebenserfahrung oder Arbeitserfahrung beispielsweise. Wenn das geklärt ist, ist es auch leichter zu entscheiden, wie aufgestellt werden soll. Manchmal eigenen sich SkalierungenKleingruppen oder oder auch die Positionierung zu einem Mittelpunkt.“ Die folgenden 20 Minuten nutzen die fünf den Raum, der ihnen zur Verfügung steht, und machen die Kriterien sichtbar. Angeregt tauschen sie sich nach der Differenzierungsübung noch über andere Möglichkeiten von Aufstellungen, auch mit Gegenständen oder etwa Moderationskarten, aus.

Das praktische Ausprobieren hat den fünf „Gruppenarbeiter*innen“ Spaß gemacht und sie vereinbaren, experimentelle Settings und Methoden in der Arbeit mit Gruppen zum Thema ihres nächsten Treffens zu machen!

#grumo_12: Wie werden müde Gruppen wieder munter?

Wer kennt das nicht? Das Ende eines langen Seminartages, die Zeit gleich nach der Mittagspause, oder gar eine Abendeinheit und plötzlich ist alles furchtbar schwer: wie durch Wasser waten oder durch Zuckerwatte reden. Heute unterhalten sich unsere fünf Expert*innen Yasemine, Paul, Beate, Rudi und Maria über ihre Erfahrungen mit Aktivierungsmaßnahmen, um müde Gruppen wieder munter zu machen.

Ein Bett, ein Polster und Kaffee

Die Gruppe sitzt heute wieder mal in einem Kaffeehaus. Das nasse, kalte Wetter macht die Treffen im Freien undenkbar. Maria schaut grade nachdenklich in ihren Cafe Latte und rührt das Zuckerkrönchen in den Milchschaum: „Wenn es draußen so düster ist, werde ich gar nicht richtig munter.“, meint sie und hält sich die Hand vor beim Gähnen. „Na passt doch wunderbar zu unserem Thema heute“, sagt Beate, „wir schauen ja alle nicht gerade munter aus der Wäsche. Was bräuchten wir also, um wieder munter und aktiv zu werden?“

Nach den üblichen Scherzen von „ein Bett und einen Polster“, „Kaffee intravenös“ und „das wird heut nix mehr, da kannst du machen was du willst“ kommen die fünf dann doch auf ein paar Vorschläge, mit denen sie schon gute Erfahrungen gemacht haben. Durch ihre unterschiedlichen Zugänge kommt eine ganz schön bunte Liste zusammen. Sie einigen sich, dass jede*r hier kurz die Lieblingsmethoden beschreibt.

Rudis Powernap

Rudi hat gute Erfahrungen damit gemacht, die Teilnehmer*innen tatsächlich kurz „schlafen“ zu lassen. Er leitet eine Übung an, die er „Powernap“ nennt und wo 5-7 Minuten lang, die Teilnehmer*innen ruhig sitzen, sich auf ihren Atem konzentrieren und den Körper tatsächlich ruhen lassen. Als Visualisierungshilfe – damit der Kopf nicht anfängt während der Ruhephase to-do Listen zu erstellen beginnt – sagt er mit ruhiger Stimme dazu, dass sich die Teilnehmer*innen eine Kugel vorstellen sollen, die beim Einatmen vorne nach oben wandert und beim Ausatmen hinten am Körper nach unten wandert. „Die meisten Atemübungen kann man gleichzeitig auch als Powernapping Übungen verwenden“, meint Rudi auf Marias Nachfrage, ob es da dazu eine Anleitung gibt. „Der Atemrhythmus ist ein natürlicher Rhythmus und durch tiefes Ein- und Ausatmen wird die Entspannung angeregt. Meistens sind die Teilnehmer*innen danach wieder munter, ich lade sie dann ein, kurz aufzustehen und einen Schluck Wasser zu trinken, um sicher zu gehen, dass niemand weiterschläft“, schmunzelt Rudi.

Murmelgruppen und Kaffeepausen

Murmelgruppe

Maria bietet sich gleich an weiter zu machen. Ihre Lieblingsintervention sind Murmelgruppen: quasi angeleitetes Tratschen. Dadurch bleibt die Gruppe bei den Inhalten, bekommt aber ein anderes Setting präsentiert. Die Murmelgruppen können auch den Raum kurz verlassen, oder sich nur im Sitzen zueinander umdrehen. Sie müssen nicht unbedingt Ergebnisse präsentieren, sondern sollen sich zum Thema kurz austauschen. „Mir macht es dann auch nichts aus, wenn sie kurz über andere Sachen reden“, Maria zuckt mit den Achseln. „Grade bei Kursen am Abend ist es mit der Konzentration oft schon schwierig und die kurze Pause vom Zuhören ist meist hilfreich. Wenn die Müdigkeit ganz groß ist, hänge ich nach der Murmelgruppe gleich eine kurze Kaffeepause an“.

Improtheater und Bewegung

Beate und Yasemine sind beim Austausch drauf gekommen, dass sie beide Improvisationstheaterspiele mit Spontanität und Bewegung mögen. Angefangen von Bewegungsspielen wie „Obstsalat“ oder „Hexe – Zwergin – Riesin“ bis zu Reaktionsspielen wie „Whiskey Mixer“ oder den guten alten Sternball (Ball wird immer in der selben Richtung im Kreis geworfen). Die beiden überschlagen sich fast mit Beispielen. Paul, Maria und Rudi schwirrt schon bald der Kopf. Beate verspricht eine Spielesammlung für alle, die sich die Übungen genauer anschauen wollen, auszuschicken. „Am besten ist es aber“, meint Yasemine, „wenn man mal einen Workshop oder ein offenes Training bei einer Improtheatergruppe besucht. Die meisten Spiele lassen sich wirklich schwer erklären. Es ist besser, die mal auszuprobieren.“ Beate nickt zustimmend.

Zaubern

Jetzt blicken alle gespannt auf Paul und seine Idee, um die Aufmerksamkeit einer schon müden Gruppe zu bekommen. Paul nimmt einen Teebeutel und beginnt eine Geschichte zu erzählen, von einer kleinen Fee, die unbedingt fliegen wollte, aber kein gutes Material hatte: die Zündschnur ihrer Rakete war abgerissen, der Treibstoff ausgelaufen und sie hatte die Rakete am falschen Ende gezündet. Fast schon hatte die Fee alle Hoffnung aufgegeben, als die Rakete schlussendlich doch abhob. Paul schaut in verzauberte Gesichter und sagt: „Die Geschichte erzähle ich und sag‘ `wenn man glaubt, es geht gar nicht mehr, dann geht’s immer noch ein Stückchen weiter´“.
(Video zur Teebeutelrakete)

Das nächste Mal unterhalten sich unsere fünf Expert*innen über Visualisierung und wie dadurch Prozesse unterstützt werden können.

Autorinnen: Gerda Kolb und Irene Zavarsky

#grumo_11: Hierarchien in Gruppen

Welche Herausforderungen warten, wenn wir mit Gruppen oder Teams arbeiten, in denen TeilnehmerInnen unterschiedlicher hierarchischer Ebenen zusammenkommen? Mit genau dieser Frage beschäftigen sich unsere fünf ExpertInnen für die Arbeit mit Gruppen bei ihrem heutigen Treffen.

Die Rolle der Leitung

„Kennt ihr das, wenn bei einer Vorbesprechung für ein Training die Teamleitung oder der Auftraggeber fragt, wie er sich bei dem Workshop oder bei der Weiterbildung verhalten soll? Ob er oder sie beispielsweise mitmachen soll oder eigene Aufgaben bekommt?“, fragt Yasemine in die Runde. Nachdem vereinzeltes Nicken, aber auch überraschte Gesichter zu sehen sind, fährt sie fort: „Wie ich das erste Mal in so einer Situation war, war ich völlig überrumpelt. Ich wusste zuerst gar nicht, was ich darauf sagen sollte. Bis dahin war für mich immer klar gewesen, dass für alle dasselbe gilt und alle irgendwie gleich sind.“ Yasemine weiß auch gar nicht mehr so genau, was sie damals geantwortet hat. In Erinnerung geblieben ist ihr aber, dass sie diese Situation mit KollegInnen nachbesprochen hat und einige Aha-Erlebnisse dabei gewesen sind.

Formelle und informelle Hierarchien

„Was waren denn die Schlüsse, die du daraus gezogen hast?“, möchte Beate wissen. „Na zuerst Mal“, antwortet Yasemine, „bin ich drauf gekommen, dass ich bis dahin hauptsächlich in Gruppen aktiv gewesen bin, wo – zumindest formal – alle mit denselben Gestaltungsspielräumen und Entscheidungskompetenzen ausgestattet waren. Das waren mehr oder weniger basisdemokratisch organisierte Gruppen. Auch die Organisationen, in denen ich als Arbeitnehmerin tätig gewesen bin, haben so gearbeitet. Da gab es zwar formal Hierarchien, weil es einen Verein gab, mit den entsprechenden Funktionen. Aber die gelebte Praxis war eine basisdemokratische, mit gemeinsamer Entscheidungsfindung und Konsensprinzip.“ Yasemine erzählt weiter, dass sie daher nicht für Teamarbeit sensibilisiert war, wo es formale Hierarchien gibt, die auch in der gemeinsamen Praxis entsprechend zum Tragen kommen. Mit dieser Erkenntnis konnte sie auch besser verstehen, wieso eine Leitungsperson bei der Vorbesprechung so eine Frage stellt. „Das ist ja auch eine ungewöhnliche Situation für so ein Team oder eine Abteilung. Sie gehen ja nicht ihrer alltäglichen Arbeit nach, wo klar ist, wer was zu tun hat und wie die Verantwortlichkeiten verteilt sind.

Beim Workshop sind alle Lernende und dann irgendwie doch gleich.“ Maria möchte nun gerne wissen, wie Yasemine denn damit in der Praxis umgeht. „Für mich ist es wichtig, mit der Unterschiedlichkeit aktiv umzugehen und sie nicht zu verschleiern. Auch wenn es ein Workshop oder ein Seminar ist, bei dem die Hierarchieunterschiede aufgrund des inhaltlichen Themas nicht relevant sind, achte ich dennoch darauf. Das Team arbeitet zusammen und es bestehen gewissen Dynamiken, egal womit sie gerade beschäftigt sind.“ Maria runzelt die Stirn: “Heißt das, du vergibst unterschiedliche Arbeitsaufträge, je nach Hierarchiestufe?“ Yasemine antwortet, dass sie das nur manchmal tue, wenn es den Zielen des Workshops dienlich erscheint. Meistens aber bekommen alle dieselbe Aufgabe, aber es geht ihr darum, nicht zu tabuisieren, dass es Unterschiede in der Gruppe gibt, sondern damit zu arbeiten. Rudi, der bisher auch sehr interessiert zugehört und öfters mit dem Kopf genickt hat, bringt sich mit einem Literaturtipp ein, den er verspricht, via Email an alle zu schicken.

Hierarchiefreie Räume?

Paul interessiert noch ein ganz anderer Aspekt: “Yasemine, wie du da früher bei dem Verein gearbeitet hast – da gab es wirklich gar keine Hierarchien? Das ist für mich schwer vorstellbar, muss ich zugeben…“ Yasemine schmunzelt und erzählt, dass sie durchaus auch die Erfahrung gemacht hat, dass informelle Hierarchien – auf Grund von Alter, Erfahrungs- oder Wissensvorsprung, Fachexpertise oder Ähnlichem – zu unterschiedlicher Machtverteilung führen. Als wirklich kontraproduktiv hat sie aber eher die Tabuisierung dessen erlebt.

„Das kenne ich auch gut!“, schaltet Rudi sich ein. „Vor meiner Supervisionsausbildung, und auch bevor ich als Psychotherapeut angefangen habe zu arbeiten, war ich in, ich sag mal, alternativen Kreisen unterwegs und in den 1980er Jahren bin ich zu einem Verein gestoßen, der sich viel mit sozialen Fragen beschäftigt hat, auch Umverteilung und so. Das war echt super und spannend und auch die stundenlangen Diskussionen und Meinungsbildungsprozesse haben mir viel Spaß gemacht, auch wenn es manchmal zäh war.“

Beate meint richtiggehend ein Feuer in Rudis Augen zu entdecken, als er davon erzählt und fragt „Aber was hast du dann vorhin damit gemeint, dass du das auch gut kennst, als Yasemine von informellen Hierarchien gesprochen hat?“ Rudi erzählt davon, wie er mit der Zeit drauf gekommen ist, dass für unterschiedliche Personen unterschiedliche Spielregeln gegolten haben. Es hat auf der einen Seite ganz klare Regeln gegeben, wie sie zu Entscheidungen kamen, auf der anderen Seite aber schienen sich dich Gründerinnen der Gruppe weniger daran halten zu müssen. Es war tabu, eine ihrer Ideen in Frage zu stellen oder eine regelkonforme Vorgehensweise einzufordern. Sie hatten dadurch einfach mehr Macht und Gestaltungsspielraum und niemand traute sich, so richtig dagegen aufzubegehren.

Unterschiede annehmen statt verschleiern

Yasemine seufzt laut auf „Ja, das kann ich mir echt gut vorstellen. Sowas Ähnliches hab ich auch schon erlebt, wenn auch zwanzig Jahre später.“ „Aber wie seid ihr damit umgegangen? Das stell ich mir sehr schwierig vor“, meint Beate und schaut Rudi und Yasemine neugierig an. Yasemine antwortet als erste und erzählt, dass sie immer wieder versucht hat, das informelle Machtgefälle anzusprechen und auch externe Begleitung einfordert hat. Aber irgendwann war die Luft draußen, nichts schien sich zu verändern. Die Situation belastete sie, und auch das Team, immer mehr und so verließ sie die Organisation. „Um aber auf das Thema zurück zu kommen – was ich mir aus dieser Erfahrung in jeden Fall mitgenommen habe, ist, ein Leitsatz, den ich mir immer wieder ins Gedächtnis rufe, wenn ich mit Teams arbeite, in denen es unterschiedliche Hierarchien gibt: Niemals Hierarchien negieren und so tun, als ob alle gleich wären bzw. dieselben Möglichkeiten hätten, wenn es nicht so ist!“

Das nächste Mal beschäftigt sich die Gruppe mit Methoden zur Aktivierung von Teilnehmer*innen und Gruppen, die schon etwas müde sind.

Autorinnen: Gerda Kolb und Irene Zavarsky

#grumo_10: Teambuilding mit Abstand

Mit dem Start in die Herbstsaison haben unseren fünf Expert_innen für die Arbeit mit und in Gruppen weitere Erfahrungen gesammelt, was es bedeutet, unter den besonderen Bedingungen, die unseren Alltag momentan mit prägen, mit Gruppen zu arbeiten. Im aktuellen #grumo-Beitrag geht’s um den Umgang mit Abstandsregeln und unterschiedlichen Bedürfnissen und Rollen.

„Ich find das schwierig“ – Maria ist sichtlich frustriert. Nächste Woche soll ihr Lehrgang starten und sie bereitet gemeinsam mit Beate die Einheiten zum Teambuilding vor. „Wir müssen alles umplanen, die meisten Methoden, die wir normalerweise einsetzen, gehen nicht wegen der Abstandsregel und auf Diskussionen mit Maske bin ich auch schon gespannt.“ Nach und nach trudeln die anderen ein – ganz zum Schluss kommt auch Rudi, der sich bereit erklärt hat, seine Erfahrungen zu Teambuilding mit Abstand zu teilen. Er hatte letzte Woche schon die ersten Einheiten und nach anfänglichen Verwirrungen hat’s auch gut geklappt.

Ein Geschenk

„Ich weiß, du willst das jetzt nicht hören“, Rudi schaut Maria verschmitzt an, „aber irgendwie ist das Thema für den Gruppenstart fast ein Geschenk: alle sind betroffen, alle haben eine Meinung dazu, die Diskussion ist schnell recht emotional und man kann sich fast nicht nicht-positionieren.“ Maria verzieht skeptisch das Gesicht. „Ich weiß nicht, ich hab‘ eher das Gefühl, es macht alles etwas mühsamer – die Leute dürfen nicht herumgehen, und wenn, dann nur mit Maske, die Sessel stehen viel weiter auseinander und wenn was draußen stattfindet, ist die Akustik meistens so schlecht, dass sich alle schwer tun mit dem Zuhören.“ Rudi räumt ein, dass seine Bedingungen ausnehmend gut waren. Das Gespräch über die aktuelle Situation hat die Gruppe gleich einen Riesenschritt näher zueinander gebracht. „Es war einfach recht viel Offenheit über Ängste, Frustrationen und Befürchtungen auf ganz vielen verschiedenen Ebenen da“, teilt er seine Beobachtung den anderen mit.

Unterschiedliche Bedürfnisse, unterschiedliche Verantwortlichkeiten

Bedürfnisse abfragen

Paul schaltet sich ein: „Also, ich hab‘ mein Seminardesign eigentlich nicht wirklich geändert: Kennenlernübungen und Kleingruppenübungen hab‘ ich genau so wie immer abgehalten. Ich hab‘ den Leuten nur mehr Zeit gegeben, sich in gebührendem Abstand zu finden oder – wenn sie an die Pinnwand rausgekommen sind – darauf geachtet, dass der Abstand zwischen ihnen groß genug ist. Aber das hat alles eigentlich gut funktioniert. Die Maske konnten sie am Sitzplatz abnehmen, daher waren Diskussionen auch in normalem Rahmen möglich.“ Er zuckt mit den Achseln: „Es hat alles ein bisschen länger gedauert, aber als dann die Routine drin war, hatten wir Corona fast vergessen.“

Yasmine hat noch nicht viel gesagt an dem Abend, jetzt meldet sie sich auch zu Wort. „Ich hab‘ schon das Gefühl, dass die Teilnehmer_innen unsicherer sind, wie sie sich verhalten sollen. Ich hab in der Erwartungsklärung klar gemacht, dass sie sich auch überlegen sollen, was sie brauchen, um sich beim Arbeiten miteinander sicher zu fühlen. Da sind halt die Bedürfnisse recht unterschiedlich. Nachdem das dann geklärt war, hatte ich den Eindruck, es läuft eigentlich ganz rund. Ich hatte da auch gleich die Gelegenheit, meine Position klar zu machen.“ Es entbrennt eine etwas aufgebrachte Diskussion, weil Maria meint, sie hat keine Lust, die Teilnehmer_innen dauernd  auf Abstandsregeln und Maskenpflichten aufmerksam zu machen. Rudi meint, dass er sich da schon zuständig fühlt dafür. Nach einigem Hin und Her einigen sie sich drauf, dass es wohl einfach wichtig ist, die eigene Rolle klar zu kommunizieren. Und je nachdem, ob man dann noch Vertreter_in des Veranstalters ist, oder zugebuchte Trainer_in, ist die Rolle wohl auch noch etwas anders angelegt.

Wie mit einer Hand Teig kneten

Beate und Maria haben jetzt schon ein bisschen mehr Plan, wie sie ihr Seminar anlegen wollen und Maria ist nicht mehr ganz so verzagt, wirkt aber immer noch etwas deprimiert. „Wisst ihr“, sagt sie schließlich, „ich hab‘ einfach Angst, dass meine Art zu trainieren so nicht mehr funktioniert. Ich fühl‘ mich in einer Gruppe wie ein Fisch im Wasser. Ich komme gerne mit den anderen in Kontakt und brauch‘ für meine Arbeit viel Mimik, Körpersprache, Rückmeldung und Interaktion. Ich lauf‘ gerne in den Kreis hinein und plaudere und scherze in der Kaffeepause mit den Teilnehmer_innen. Jetzt hab‘ ich den Eindruck, davon ganz vieles nicht zur Verfügung zu haben. Es ist wie mit einer Hand Teig kneten: ein bisschen mühsam und nicht ganz so produktiv.“ Die anderen nicken zustimmend. Alle fünf haben sich schon darüber Gedanken gemacht, was das jetzt für die Zukunft ihres Berufes heißt, wenn sich die Situation nicht wieder ändert, sondern Abstandsregeln noch länger notwendig sind.

Kreativ adaptieren

Beate lenkt das Gespräch wieder auf den geplanten Seminareinstieg: „Wir machen das schon. Viele Methoden kann man adaptieren, wenn man ein bisschen kreativ ist,“ meint sie und weist auf zwei Beiträge im REFAK Blog hin, der eine zu Methoden mit Abstand und der andere zu Lernen mit Abstand. „Ich glaub, es ist auch wichtig, den Teilnehmer_innen unsere Situation zu erklären. Die meisten haben sich vielleicht gar keine Gedanken dazu gemacht, dass es für uns eine neue Herausforderung ist, Teambuilding mit Abstand anzuleiten.“ Maria und Beate versprechen, beim nächsten Mal kurz zu berichten, wie der Lehrgangsstart für sie gelaufen ist. „Ich wollte euch auch noch über ein schräges Erlebnis erzählen, das ich vor Kurzem bei einem  Gruppencoaching hatte“, meint Paul, als die anderen schon fast beim Verabschieden waren. „Aber verschieben wir das einfach auf unser nächstes Zusammentreffen. Vorab schon soviel“, verrät Paul „es hat etwas mit Hierarchien innerhalb von Gruppen zu tun.“ Die anderen sind neugierig geworden und freuen sich umso mehr aufs nächste Mal.

Autorinnen: Gerda Kolb und Irene Zavarsky

#grumo_09: Gruppendynamik, Demokratie, Soziokratie

… ein kleiner Einblick

Nach einigen Wochen Sommerpause freuen wir – Irene Zavarsky und Gerda Kolb – uns, euch wieder zweiwöchentlich mit Beiträgen zum Themenfeld Gruppe und Gruppendynamik versorgen zu dürfen. Mit dabei sind natürlich auch wieder die fünf Expert*innen Beate, Paul, Yasemine, Maria und Rudi, die uns an ihren Erfahrungen und Kompetenzen teilhaben lassen.

Kennengelernt haben sich unsere zwar fiktiven, aber nichtsdestotrotz realitätsnahen Charaktere bei einer Weiterbildung zum Themenfeld Gruppe. Seit einigen Monaten treffen sich nun die fünf Professionist*innen aus den Bereichen Training, Beratung und gewerkschaftlicher Erwachsenenbildung regelmäßig, um verschiedenste Themen und Aspekte von Gruppen und Gruppendynamik zu reflektieren und diskutieren. Dieses Mal richten sie den Fokus auf Demokratie und Entscheidungsfindung und was das mit Gruppendynamik zu tun haben könnte. 

„Wahnsinn, so schnell ist der Sommer noch nie vergangen, aber ich freue mich sehr euch wiederzusehen!“ Mit diesen Worte begrüßt Beate die Kolleg*innen, die es sich bereits im Schatten eines Baumes auf der Donauinsel gemütlich gemacht haben. „Ich freu mich auch dich zu sehen“, entgegnet Yasemine gut gelaunt und bietet Beate gleich ein Stück Wassermelone an, die sie zum heutigen Treffen mitgebracht hat. Nach einer Weile mit gegenseitigen Updates, Urlaubserzählungen und einer Diskussion über Urlaubsdestinationen in- und außerhalb Österreichs, landen die fünf Kolleg*innen beim Thema Demokratie.

Gruppendynamik und Demokratie

Yasemine beginnt: „Die Gruppe kann auch als Mikrokosmos einer Gesellschaft verstanden und erlebt werden. Also nicht vollständig natürlich, aber eine Gruppe ist vergleichbar mit einer Organisation, zumindest ist sie auch ein soziales Gebilde. Da wie dort gibt es Ziele, die mehr oder weniger gemeinsam erreicht werden sollen.“

Der Vergleich von Gesellschaft und Organisation löst in der Runde Irritation aus und Rudi springt ein, um Yasemins Ausführungen zu ergänzen: „Auch die Gesellschaft ist eine Art von Organisation oder zumindest auch ein soziales Gebilde. Es gibt Regeln, Ziele und so weiter und es macht natürlich einen Unterschied, auf welche Art und Weise versucht wird, Ziele zu erreichen.“ „Ja genau, wer beispielsweise mitgestalten darf  und wer nicht. In einer hierarchisch strukturierten Organisation oder Gesellschaft bestimmen wenige Personen. In einer Demokratie geht die Macht vom Volk aus. Viele Menschen wählen Vertreter*innen, die wiederum ihre Interessen vertreten und an Entscheidungsprozessen mitwirken. In einer Diktatur ist das nicht so“, führt Yasemine weiter aus. Paul ist es nun wichtig anzumerken, dass in einer Demokratie auch nicht alle mitbestimmen dürfen und führt sich selbst als Beispiel an. Zwar lebt und arbeitet er seit vielen Jahren in Österreich, trotzdem ist er von den meisten Wahlgängen ausgeschlossen, weil er polnischer Staatsbürger ist. Maria und Beate sind entrüstet. Sie haben das zwar gewusst, aber Paul irgendwie nie mit den Auswirkungen dieser Gesetze in Verbindung gebracht.

Wechselwirkung Gruppe – Gesellschaft

Rudi versucht das Gespräch wieder auf den Zusammenhang zwischen Gruppendynamik und Demokratie zu lenken: „Es ist wirklich spannend nachzulesen, was die Anliegen von Kurt Lewindem Begründer der Gruppendynamik, waren. Ihm ging es auch um die Möglichkeit der Mitsprache und nicht nur um die Steigerung von Effizienz durch das Üben von sozialen und kommunikativen Kompetenzen. Es gab zwar einen Fokus auf Organisation, aber es war ihm auch klar, dass es Wechselwirkungen zwischen den Entscheidungsfindungsprozessen und Partizipationsmöglichkeiten in Organisationen und in der Gesellschaft gibt. Es geht dabei auch um Kultur, in der beispielsweise soziale kooperative Prozesse und eine konstruktive Konfliktkultur von Wert sind.“

„Puh, das ist aber ganz schön komplex“, meint Beate, „ich hab die Verbindung zwischen der Beschäftigung mit Gruppendynamik und demokratischen Prozessen noch nicht ganz.“ Yasemine versucht zu ergänzen: „In einer Gruppe kann man sich auch anschauen, wie vorgegangen wird, um Ziele zu erreichen und das lässt Rückschlüsse auf demokratische Prozesse zu. Was braucht es? Was funktioniert gut und was ist eher hinderlich? Oder auch welche unterschiedlichen Befindlichkeiten und Anliegen gibt es? Es brauchen ja auch nicht alle dasselbe, um beispielsweise zufrieden zu sein, sich sicher zu fühlen oder auch gut arbeiten zu können. Vor allem in der Trainingsgruppe, dem Kernelement der Gruppendynamik, werden Phänomene wie Status, Normen, Autorität, Beziehungen und deren Auswirkungen auf die Dynamik der Gruppe und die einzelnen Gruppenmitglieder verstärkt erleb- und beobachtbar. Dadurch werden eben verschiedene Kompetenzen für den Umgang miteinander erworben.“

Fünf Tage im Sesselkreis

Paul: „Ich hab noch nie an einer Trainingsgruppe teilgenommen. Kann bitte jemand von euch erläutern, wie das genau abläuft? “ Rudi lacht, „Hui, da ist auf jeden Fall was los, das kann ich dir sagen. Meine letzte T-Gruppe – das ist eigentlich der gängigere Begriff – ist auch schon einige Jahre her. Aber ich hab es jedes Mal als wertvolle, wenn auch sehr anstrengende, Erfahrung empfunden. Es gibt wahrscheinlich unterschiedliche Ausformungen, aber bei den T-Gruppen, an denen ich über die Jahre teilgenommen habe, waren wir immer ungefähr zwölf Leute, die fünf Tage im Sesselkreis gesessen sind. Und dann sind natürlich Trainer*innen dabei, meistens zwei, wenn ich mich richtig erinnere. Jedenfalls sind wir da im Seminarraum gesessen, die Trainer*innen haben sich und den Zeitplan vorgestellt, also wann wir jeden Tag starten und aufhören, wann Mittagspause ist und solche Dinge, und das war’s dann mehr oder weniger auch schon von ihnen. Und was dann passiert ist, war höchst unterschiedlich.“ „Und zu welchen Themen habt ihr gearbeitet?“, fragt Paul nach.

Gruppe erforschen

Bevor Rudi darauf antworten kann, schaltet sich Yasemine ein: „Das Thema ist die Gruppe selbst und die einzelnen Teilnehmer*innen. Sie haben praktisch die Aufgabe, sich selbst zu erforschen und dadurch zu lernen. Auch wie sie das machen, müssen sie sich selbst überlegen. Es geht um Fremd- und Selbstwahrnehmung, um das eigene Agieren in der Gruppe, auch um Annahmen über Andere, um Einfluss und Macht, um Kooperation und Allianzen, um Konkurrenz oder auch um Attraktivität. Alles was eben so auftauchen kann, wenn Menschen gemeinsam Zeit verbringen. In Freundeskreisen oder Arbeitskontexten tauchen diese Themen auch auf, nur nimmt man sich selten die Zeit, sie so intensiv zu bearbeiten, wie in einer T-Gruppe.“ Maria bringt sich nun auch mit einer Erfahrung in die Diskussion ein, die sie erst jetzt mit dem Thema in Verbindung bringt: „Ich kenne sowas Ähnliches aus einem politischen Kontext: Ich war bei einem Sensitivity Training, da sind wilde Diskussionen entbrannt, ob jetzt eine Mehrheitsentscheidung in Ordnung ist oder nicht oder ob wir einen Konsens brauchen. Aufgehängt hat sich dann alles am Begriff der Soziokratie.“

Beate fragt bei Maria nach, wie sie jetzt darauf gekommen ist und ob sie eine Verbindung zum Thema sieht. „Na ja“, meint Maria, „ich glaube schon, dass demokratische Prozesse sehr gut bei Entscheidungsfindungen sichtbar werden. Es geht dabei auch oft um die unterschiedlichen Möglichkeiten, die Menschen haben. Ich war beispielsweise immer eine große Anhängerin von Konsens-Entscheidungen. Ich fand es gut und sinnvoll, stundenlang, bei manchen Themen auch länger, zu diskutieren, bis alle mit einer Vorgehensweise einverstanden waren. In dieser Gruppe ist mir dann zum ersten Mal bewusst geworden, dass das aber auch an der Lebensrealität von jemandem vorbei gehen kann. Es ist eine Ressourcenfrage, ob jemand so lange diskutieren kann. Ich schließe damit also wahrscheinlich auch viele aus. Das war damals für mich eine wichtige Erkenntnis und sie war mir möglich, weil ich mich auch mit den Bedürfnissen und Anliegen der anderen Teilnehmner*innen auseinandersetzen musste.“

Das Ende ist der neue Anfang

Inzwischen ist es auf der Donauinsel schon ziemlich kühl geworden und zu kalt, um weiter am Boden zu sitzen. Yasemine versucht zusammen zu fassen: „Man kann sicher nicht jede Gruppe wie eine T-Gruppe behandeln, das wäre kontraproduktiv. Aber in so einem Setting mal das eigene Verhalten innerhalb von Gruppen zu reflektieren, ist extrem hilfreich und spannend für die eigene Entwicklung. Und eben auch aufschlussreich, wenn man sich mit Entscheidungsfindungsprozessen in demokratischen Kontexten beschäftigen will.“ Dazu können die Anderen nur zustimmend nicken. Paul und Beate haben jetzt jedenfalls auch Lust, mal an einer T-Gruppe teilzunehmen und werden von ihren Erfahrungen berichten.

Am Rückweg zur U-Bahn spricht Maria Paul an: „Sag, bei dir startet doch im September wieder ein Lehrgang. Willst du uns beim nächsten Mal berichten, wie ihr das Training mit Abstand gestaltet und trotzdem einen guten Gruppenstart hin bekommt? Ich bin da noch ein bisschen ratlos.“ Paul erklärt sich einverstanden und verspricht beim nächsten Mal von seinen Erfahrungen zu berichten.

Autorinnen: Gerda Kolb und Irene Zavarsky

#grumo_08: Vielfalt in der Gruppe

Manchmal ist Verschiedenes nicht einfach unter einen Hut und schon gar nicht in verschiedene Hüte zu bringen.

Maria zeichnet immer noch auf ihrem Zettel herum, als die anderen eintrudeln. Diesmal treffen sie sich in einem Gastgarten in der Stadt. Beate schaut Maria neugierig über die Schulter „Was machst du da?“, will sie wissen. Maria seufzt und erklärt, dass sie versucht, für einen Lehrgang Kleingruppen zu bilden, aber auf keinen grünen Zweig kommt. Sie hätte gerne, das möglichst viele Diversitätskategorien beachtet werden und die Kleingruppen möglichst heterogen zusammengewürfelt sind.

Beate ist sofort mitten drin, sie liebt Knobelaufgaben, und beugt sich mit Maria über deren Zettel. Paul und Rudi schauen sich ein bisschen ratlos an. „Vielleicht ist das eine Altersfrage“, meint Rudi „aber ich hab da noch nie so viel Zeit drauf verwendet, die Gruppen zu teilen. Ich mach das meistens nach dem Zufallsprinzip.“ Yasmin lacht laut auf „Ich glaub eher, es ist eine Genderfrage“ – und schon sind unsere fünf mitten im heutigen Thema.

Falcon Crest, Knight Rider und das A-Team

Gerade zu Beginn von neuen Gruppen geht es darum, Gemeinsamkeiten festzustellen. Wir – als soziale Wesen – mögen es, wenn wir Ähnlichkeiten zu anderen bemerken: im Urlaub freuen wir uns, wenn wir Leute aus unserem Nachbardorf treffen, bei neuen Bekanntschaften geht es zunächst auch darum, Interessen und Vorlieben zu teilen. Wir freuen uns, andere Vegetarier*innen oder Hundeliebhaber*innen kennen zu lernen, oder Leute, die den gleichen Sport wie wir gut finden. Paul erzählt, dass bei seinen mehrtägigen Seminaren am ersten Abend ganz oft über Fernsehserien, die die Leute als Jugendliche geschaut haben, geredet wird. „Ich hab da schon einen Startvorteil, weil ich das öfter schon erlebt hab. Ich kann dann schon auftrumpfen mit Falcon Crest, das A-Team und Knight Rider und den dazu passenden Titelmelodien. Da wird dann aber auch gleich klar, wer als Kind nicht so viel fernsehen durfte oder in einem anderen Kulturkreis aufgewachsen ist und diese Serien gar nicht kennt. Das sorgt dann gleich für Interesse oder Irritation.“

Aufstellen zum Differenzieren

Gleichzeitig tasten wir aber auch Unterschiede ab. Im weiteren Verlauf der Gruppendynamik werden diese dann immer wichtiger: Differenzierungen finden statt. Yasemin berichtet, dass sie zu Beginn oft Aufstellungen macht, um Gemeinsamkeiten und Unterschiede sichtbar zu machen. „Da geht es dann um scheinbar harmlose Fragen, wie Geburtsort oder Branche, in der man tätig ist. Oft werden dann aber schon Gewichtungen deutlich sichtbar. Wenn zum Beispiel alle in Österreich geboren sind und nur eine in der Türkei, dann werden kulturelle Schwerpunkte recht schnell klar. Oder wenn in der Gruppe lauter Arbeiter*innen und nur zwei Angestellte sind.“

Die anderen nicken. „Oft gibt es zu Beginn das Bedürfnis, die Unterschiede eher zu verwischen. Da fallen dann so Sätze wie „aber wir sind alle bei der Gewerkschaft“ oder „aber eigentlich bist du schon seit deinem zweiten Lebensjahr in Österreich, also gehörst du eh zu uns“, ein Satz, den ich selber ganz oft schon gehört habe“, endet Yasemin. „Komisch eigentlich“, meint Maria „dass wir uns in der Gruppe oft so schwer tun mit Unterschieden. Dabei sind wir fünf wahrscheinlich schon ziemlich unterschiedlich…“

Obsalat advanced und Kühe melken

Obstsalat advanced

Die nächste Stunde verbringen unsere Fünf damit, sich über Unterschiede in ihrer Gruppe zu unterhalten. Sie erfahren, dass noch nie jemand den polnischen Nachnamen von Paul auf Anhieb korrekt ausgesprochen hat (außer seine polnischen Freund*innen und die Familie), dass Yasemine neben Türkisch und Deutsch auch noch Russisch und Französisch spricht, dass Beate in einem kleinen Bergbauerndorf in Tirol aufgewachsen ist und Kühe mit der Hand melken kann, dass Maria vor dem Studium eine Tischler*innenlehre abgeschlossen hat und dass Rudi keinen Führerschein hat und noch nicht mal auf der Straße radfahren will.

Durch die neu entdeckten Gemeinsamkeiten und Unterschiede ergeben sich gleich eine weitere halbe Stunde Zweier- und Dreiergespräche. Dann holt Maria die Gruppe wieder zusammen: „Das erinnert mich an eine Methode, die ich früher gerne mit Schulklassen gemacht habe. Vielleicht passt die aber auch für Gruppen von Erwachsenen: Obstsalat advanced.

Wie beim Obstsalat steht eine Person in der Mitte, aber anstelle von Obstsorten sagt sie etwas über sich, von dem sie überzeugt ist, dass sie es mit vielen andere im Raum teilt. Wer das auch hat oder kann (zum Beispiel „ich bin bei der Gewerkschaft“ oder „ich kann Englisch“) muss Platz wechseln. Man kann natürlich auch riskantere Sachen nehmen wie „ich kann gut singen“ oder „ich mag am Liebsten Mangoeis“. Da entstehen schon oft Überraschungsmomente. Als weitere Herausforderung kann man Sachen sagen, wo man überzeugt ist, dass das nur sehr wenige oder vielleicht niemand teilt. Es gibt natürlich auch heikle Fragen, wie zum Beispiel Religion, Sexualität oder politische Zugehörigkeit, aber auch da ist spannend, wie die Gruppe dann mit solchen Themen umgeht. Bei dieser Art von Obstsalat muss sich auch keine*r exponieren. Wenn beispielsweise eine Kategorie unangenehm ist oder ich mich einfach grade nicht positionieren möchte – ich selbst entscheide, ob ich den Platz wechsle oder nicht.“

Expert*in oder Außenseiter*in

Rudi will die Methode auf jeden Fall mal ausprobieren. Er findet sie einen guten Einstieg für die Diskussion um Diversität und was unterschiedliche Lebenswelten und Erfahrungshorizonte mit einer Gruppe machen.

„Ich betrachte das meist eher auf der individuellen Ebene“, meint er begeistert, „aber natürlich macht das auch in der Gruppe einen großen Unterschied. Alleine schon die Frage, mit wie vielen anderen ich mir dann eine Position teile, oder ob ich mit einer Erfahrung ganz alleine bin. Das kann mich zum Experten oder zum Außenseiter machen.“ Er schaut auf Marias Zettel vom Anfang, „jetzt versteh ich auch besser, warum du dir mit den Kleingruppen so viel Mühe gibst. Das kann für die Kleingruppenarbeit echt viel Unterschied machen, ob da viele unterschiedliche oder viele ähnliche Lebenswelten drinnen sitzen.“ Maria nickt. „Aber es ist echt nicht einfach, die Unterschiede gut zu verteilen…“

Diversität und Intersektionalität: Chance oder Feigenblatt?

Paul muss schon weg, er muss seine Kinder von einer Geburtstagsparty im Park abholen, aber Beate, Yasemine und Rudi wollen Maria noch bei ihrer Gruppeneinteilung helfen. Nach 20 Minuten Tüftelei haben sie eine gute Lösung gefunden und die Kategorien Alter, Geschlecht, Branche, Herkunft, Teilzeit/Vollzeit beschäftigt, Familienstand und derzeitige Lebenssituation (Stadt/Land) berücksichtigt.

Beate merkt die Intersektionalität an, dass für manche Personen viele Kategorien gleichzeitig zutreffen und sich noch bestärkend verschränken. Yasmine bestärkt das und erzählt lachend: „Als junge Frau türkischer Herkunft war ich in vielen politischen Kontexten sehr gefragt. Oft hatte ich den Eindruck, ich bin nur das Aushängeschild, das die Organisation nach außen hin gut ausschauen lassen soll und im Hintergrund haben dann eh die üblichen Verdächtigen – mittelalte, österreichische Männer – regiert. Grad bei Organisationen im politischen Kontext ist das oft so.“

Paul nickt nachdenklich: „So hab ich mir das noch gar nie überlegt. Ich dachte immer „cool, dass die junge Frauen fördern“, aber dass die dann manchmal nur als Feigenblatt vorne stehen und fast ein bisschen verheizt werden….. darüber hab ich noch nie nachgedacht.“ Sie unterhalten sich noch ein bisschen über die Fallstricke politischer Vertretungsarbeit. Maria findet es auch schwierig, dass Leute schnell für bestimmte Themen zuständig werden, nur weil sie dieser Gruppe angehören. „Jetzt ist schon mehr Bewusstsein da, aber früher warst du als Frau automatisch für das Thema Gleichberechtigung zuständig, oder als Ausländer*in musst du dich automatisch für die Antirassismuskampagne interessieren. Tust du wahrscheinlich auch, weil es deine Lebenswelt unmittelbar betrifft, aber es befreit die anderen nicht davon, sich ebenso damit auseinander zu setzen.“

Sie vereinbaren noch einen neuen Termin für Herbst – im Sommer überlagern sich die diversen Urlaubspläne – und schreiben Paul ein SMS, um abzuklären, ob er auch Zeit hat. Paul ist übrigens der einzige in der Gruppe, der kein WhatsApp verwendet, was die Gruppe bislang daran gehindert hat, sich auch online zu vernetzen. Zugang und Nutzung zu Technologie ist ein weiteres Diversitätskriterium, stellen die vier anderen fest. Anknüpfend an ihre Diskussion von vorhin planen sie sich mit dem Thema Entscheidungsfindungsprozesse in Gruppen, die auch sehr von den unterschiedlichen Bedürfnissen und Lebensrealitäten geprägt sind, zu befassen.

Autorinnen: Gerda Kolb und Irene Zavarsky