#grumo_16: Notfallpläne. Was tun, wenn… ?

Im Seminaralltag tauchen immer wieder Überraschungen und Herausforderungen auf, die selbst ganz alte Hasen und Häsinnen kurz stutzen lassen. Bei ihrem letzten Treffen vor den Feiertagen wollen unsere fünf Expert*innen für die Arbeit mit Gruppen Strategien für Notfallpläne austauschen. Sie beginnen mit einem kurzen Blitzlicht, um festzustellen, wie es allen gerade geht. Um zu wissen, wer dran ist, geben sie einen Kugelschreiber von Bild zu Bild. Allein das sorgt in den ersten Minuten schon für Belustigung.

Yasemine hat die Moderation des heutigen Treffens übernommen. Seit sich die Gruppe online trifft, haben sie sich Regeln für die Treffen ausgemacht: Wer etwas sagen will, hebt die Hand und wird von der Person, die die Moderation inne hat, dran genommen. Das dauert zwar ein bisschen länger und erfordert mehr Disziplin, gerade bei spontanen Ideen, stellt aber sicher, dass die Wortmeldungen sich nicht überlagern.

Schwierige Co-Trainer*in

Maria und Paul haben beide eine sehr ähnliche Begebenheit zu berichten: Während des Seminars stellte sich nach und nach heraus, dass sich der zweite Trainer bzw. die zweite Trainerin nicht richtig vorbereitet hatte. „Ich hab innerlich echt die Augen verdreht“ meint Maria, „aber was willst du denn machen, du kannst sie ja nicht völlig bloß stellen vor der Gruppe. Also hab ich hat gute Miene gemacht und versucht, möglichst viel auszugleichen. Das war ein höllisch anstrengendes Seminar! Ich bin mir sicher, die Gruppe hat auch gemerkt, dass wir nicht ganz auf einer Wellenlänge sind.“

Paul legt nach: „Mir ist sowas auch mal passiert. Ich hab das dann in der Pause angesprochen. Seither versuche ich vorher genauer die Arbeitsweisen abzuklären und welche Art von Vorbereitung ich erwarte. Das macht zwar manchmal bei der Vorbesprechung einen strengen Eindruck, aber es ist mir lieber, als dann während dem Seminar drauf zu kommen, das was nicht passt.“ Rudi hebt die Hand: „Mir ist ein Co-Trainer mal kurzfristig erkrankt und ausgefallen. Seither verlange ich geplante Inputs vorab schriftlich, damit ich mir im Fall des Falles beim Improvisieren nicht ganz so schwer tue.“

Notfallplan:
– Arbeitsweisen und Erwartungen im Vorfeld absprechen.
– Defizite während des Seminars ausgleichen.
– Unzufriedenheit zeitnah ansprechen.
– Inputs vorab verschriftlicht zur Verfügung haben.

Im Raum kann nicht gearbeitet werden

Alle kennen Geschichten von Seminarräumen, die sich – trotz Abklärung und Zusicherung –  als KEINE Seminarräume entpuppten: umfunktionierte Wirtsstuben, „freie“ Gästezimmer, in deren Mitte improvisiert ein paar Sessel stehen, „duftende“ Partykeller ohne Flipchart und ohne Möglichkeit, an den Wänden etwas aufzuhängen, intensive Lärm- und Geruchsbelästigung durch Baustellen vorm Fenster oder die gleich nebenan liegende Küche/Wirtsstube, in der gearbeitet wird,…. Es gib beinahe unzählige Beispiele. Die fünf Kolleg*innen überbieten sich mit immer absurderen Erlebnissen. Im Endeffekt kommen sie aber auf ähnliche Lösungen: Manchmal hatten sie keine Wahl, als die Gegebenheiten achselzuckend hinzunehmen und sich zu bemühen, damit möglichst konstruktiv umzugehen. Ein anderes Mal war ein Raumwechsel oder das Arbeiten im Freien möglich oder das Setting wurde so verändert – bspw. häufiger Kleingruppen als Plenum – wie es die räumlichen Möglichkeiten nahe legten.

Nofallplan:
– Akzeptieren und das Beste daraus machen.
– Raum wechseln.
– Im Freien arbeiten.
– Setting anpassen, bspw. Kleingruppen, Triaden, Dyaden, Einzelarbeit, Talking by Walking, etc.

Einzelne Personen sind irritierend

Bezogen auf Irritationen durch einzelne Teilnehmer*innen sind die Erfahrungen von Paul, Beate, Yasemine, Rudi und Maria recht unterschiedlich: Yasemine erzählt von einer Teilnehmerin, mit der sie eine persönliche, etwas vorbelastete Geschichte hatte. Paul beschreibt einen Teilnehmer, der offenbar betrunken ins Seminar gekommen und einfach nicht arbeitsfähig war. Maria hatte einmal einen Teilnehmer, der durch seine bloße Anwesenheit die Atmosphäre im Raum völlig zum Kippen gebracht und alle anderen permanent irritiert hatte. Rudi erzählte von einer Teilnehmerin, die seine Leitungskompetenz nicht und nicht anerkennen wollte, was in einem steten Hinterfragen aller seiner Vorschläge und Arbeitsaufträge sichtbar wurde. Beate berichtet von einem Teilnehmer, der seine Verdauung nicht ganz unter Kontrolle und unangenehme Gerüche entwickelt hatte.

Die anderen verziehen das Gesicht. Beate lacht: „Ja, im ersten Moment war ich ziemlich überfordert. Dann hab einfach eine Pause vorgeschlagen. Alle waren froh über die Fluchtmöglichkeit.“ Die Pause wird zum klaren Favoriten der Notfallpläne gewählt. Andere Strategien, die ausgetauscht werden, reichen von der Aufforderung das Seminar zu verlassen über das Ansprechen der Irritation gegenüber der betreffenden Person bis hin dazu, die irritierende Person so gut wie möglich zu ignorieren und einfach weiter zu machen.

Notfallplan:
– Pause machen!
– Person bzw. das irritierende Verhalten ignorieren.
– Irritation ansprechen (vor der Gruppe oder im Einzelgespräch).
– Auffordern, den Raum zu verlassen.

Vorbereitete Technik versagt völlig

Rudi erzählt von einem Erlebnis bei einem Online-Seminar, wo im strategisch ungünstigsten Moment die Technik versagt hatte. Beate zuckt die Achseln: „Bei Präsenz-Seminaren habe ich alle Folien von einer Präsentation zusätzlich ausgedruckt mit. So kann ich im Technik-Notfall auch ohne Laptop und Beamer vortragen und dabei sogar kleinere Visualisierungen am Flipchart machen. Aber online…“ sie blickt etwas ratlos in die Runde. Rudi meint: „Naja, online ist man dann halt einfach nicht da, wenn die Verbindung wegfällt. Da kann man dann schlecht improvisieren. Ich hab mir da eine Taktik zurecht gelegt: Ich vereinbare mit den Gruppen vorab immer, was das Ausfallsmedium ist. Wenn beispielsweise nichts mehr funktioniert und wir uns online nicht mehr sehen/hören, dann bekommt die Gruppe von mir ein E-Mail oder ein SMS. Ich mach quasi einen alternativen Treffpunkt aus, wo wir dann das weitere Vorgehen planen können.“

Notfallplan:
– Alternatives Medium wählen (Flipchart statt PowerPoint, E-Mail statt Online-Raum)

Jemand aus der Gruppe überschreitet verbal Grenzen

Was macht ihr eigentlich, wenn ihr jemanden in der Gruppe habt, der echt unpassende Sachen sagt, sexistisch ist oder rassistische Bemerkungen macht?“

tippt Maria ihre Frage in den Chat. Yasmine meldet sich dazu: „Da bin ich dann voll in meinem Element!“ Sie strahlt in die Kamera. „Ich finde das ist dann oft ein guter Aufhänger, um über die Gruppe und ihre Dynamiken zu reden. Ich bin fast froh, wenn ich so eine polarisierende Person im Seminar habe. Es ist dann zwar emotional oft etwas geladen, dafür geht dann auf der Gruppenebene ordentlich was weiter. Ich schau zwar, dass ich das Thema ein bisschen von der Person wegbekomme, um Stigmatisierungen zu vermeiden, aber für eine Diskussion über Normen und Werte in der Gruppe ist sowas fast ein Geschenk.“ Paul ergänzt, dass er bei Seminaren, die den Fokus auf fachlichen Input haben, in solchen Fällen oft seine Autorität als Trainer ausspielt und feststellt, dass solche Debatten/Aussagen am Thema vorbei gehen und hier nichts verloren haben.

Notfallplan:
–  Grenzüberschreitung aufgreifen und für die Gruppe nutzbar machen.
– Mit der Autorität der Leitung abwehren.

Wunderwuzzis sind wie Diät-Drinks

Yasemine schaut auf die Uhr. „Ok. Wir haben noch Zeit für ein Beispiel, dann ist unser vereinbartes Zeitfenster zu.“ Die Gruppe hat sich für die Onlinetreffen ein Zeitlimit gesetzt. Weil die Treffen per se mehr Aufmerksamkeit erfordern, soll so eine Überlastung vermieden werden. Maria meldet sich noch mal: „Ich hab die Erfahrung gemacht, dass manchmal Gruppen andere Erwartungen an mich oder das Seminar haben, als ich leisten kann. Zum Beispiel glauben sie, dass ich beim Thema Konfliktmanagement ihre Konflikte alle zum Verschwinden bringe.“

Paul will etwas ergänzen: „… Sie glauben auch, dass ich ihre Fachbegriffe alle kenne, oder mit ihren Abläufen vertraut bin.“ Rudi ergänzt ohne sich zu Wort zu melden: „Ich hab das Gefühl, sie halten uns manchmal für Wunderwuzzis und sind dann enttäuscht, wenn sie selber viel zu den Themen beitragen müssen. Wir sind ja oft nur in der Rolle der Facilitator*innen – der Ermöglicher*innen.“

Die anderen nicken. Auch dieses Thema ist allen bekannt. Beate hebt die Hand: „Ich spreche das meistens einfach an. Ich weiß, das klingt jetzt voll banal, aber die Leute wissen insgeheim, dass Konflikte nicht einfach so verschwinden, sonst wäre das ja schon passiert. Das ist wie bei Diät-Drinks: wir glauben gern dran, das es funktioniert, aber insgeheim vermuten wir schon, dass es zu gut klingt, um wirklich wahr zu sein.“ Die anderen lachen. Der Vergleich ist wirklich passend. Maria meint: „Das muss ich mir merken, nächstes Mal, wenn die Gruppe mich mit so überhöhten Anforderungen konfrontiert, dann bring ich ihnen das als Beispiel.“

Notfallplan:
– Metaphern finden.
– Rolle klar machen.

Wünsche für 2021

Die Konzentration neigt sich langsam dem Ende zu und die Fünf vereinbaren noch ein Treffen zu Beginn des neuen Jahres. Am Ende fordert Yasemine dazu auf, sich einen Gegenstand in Griffweite auszusuchen, der einen Wunsch für 2021 gut repräsentiert. Reihum hält jede*r den Gegenstand kurz in die Kamera und sagt einen Satz dazu. Nach diesem schönen und positiven Ausblick ins nächste Jahr verabschieden sich die Expert*innen für heuer. Schöne Feiertage!

Es handelt sich bei allen angeführten Beispielen um wahre Begebenheiten aus dem Seminaralltag, die von uns gesammelt wurden.

Autorinnen: Gerda Kolb und Irene Zavarsky

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